Hochmalignes Non-Hodgkin Lymphom des Gehirns

Juni 4, 2010

Seit dem 8. Januar kämpft meine Frau um ihr Leben. Dieser Blog ist mein Versuch, damit fertig zu werden. Veröffentlichen ist eigentlich sonst nicht meine Art. Dennoch hoffe ich, daß es andere Menschen gibt, die meine Denkweise und meine Art des Umgangs mit dieser Krise verstehen. Ich freue mich auf Feedbacks und hilfreiche Hinweise. Vielleicht ist ja jemand unter Euch, der uns gute Gedanken schicken kann? Für alles was hilft, bin ich dankbar! Anteilnahme ist eine besondere Form der Lebensenergie. Wer sie  einmal geteilt hat mit Bedürftigen, kann nie wieder zurück ins Hamsterrad der Eigenliebe.(Non-Hodgkin-Lymphom)

Wir, die wir verloren sind in der Zeit, wie Tränen im Regen.

(Rilke)

Methotrexat

Aus schwarzem Beutel Gelber Tod schlängelt venenwärts;

Karg zwinkern LEDs den grünen Takt  dazu.

Vor Deinem Bett zerfalle ich in erbärmliches Geheul.

Wenn Diagnosen töten könnten, läge ich da für Dich.


Umschlaucht, bebeutelt und justiert, wartest du reglos;

Oben geht es rein und unten geht es raus, dazwischen Du,

Meine Liebe, wie am ersten Tag, als die Nabelschnur

Jemand durchtrennte, der Dein Schicksal nicht kannte.


Vierundzwanzig Stunden Gift, dazwischen Antidot, sechs

Zyklen, alle zwölf Tage: Sie töten Deine Abwehr,

Weil sie Dich tötet und unbeirrt meisselt der Doktor

Die Leukozahlen in den Bericht: Ich hoffe, nicht mehr.

(Methotrexat)

* * *

Herkunft/Zukunft
Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse.

Fehldiagnose

Wem soll man glauben? Dem Spezialisten? Auch er irrt!

Zuerst sollte es eine Enzephalitis sein, die sie mit

Kortison beschossen. Dann eine schwere MS,

Der sie zuwarteten, mit Blutreinigung,

weil sie nichts wussten.


Erst als sie in Dein Hirn bohrten,

Wussten sies genau.

Drei Monate zu spät:

Non Hodgkin….

ein wunderbares Wort, das im Staccato hämmert:

Tod, Tod, Tod, Tod.

* * *

Nach er Infektion
Gedanken sind die Schatten unsrer Empfindungen – immer dunkler, leerer, einfacher als diese.

Nosokomiale Infektion

Enterococcus “ sagt trocken deine Ärztin,

Anstatt klar sagen zu müssen, irgend ein Schwein

Hat sich nicht die Pfoten gewaschen!


So ein Blödmann kam auf die Idee; dir eine

Lipidinfusion ins gelähmte Bein zu legen:

Es lodert Deine Wade wie eine Fackel.


Wir müssen leider den dritten Zyklus verschieben,

Wegen des Fiebers und der Infektion”

Und Dir läuft die Zeit und die Kraft davon!


Ich bin verzweifelt, und ich spüre alle Dämonen

Dieser Welt gegen mein Herz trommeln:

Nicht Dein Bein, nicht auch noch das!


Der Brand hat schon Dein Knie erreicht,

Als die, die Antibiotika wirken.

Zeit , Zeit, Zeit…gib uns Zeit.

* * *

Beutel im Ifosfamid
An sich ist nichts weder gut noch böse. Erst das Denken macht es dazu.

Ifosfamid

Opa zeigte den schwarzen Kasten:

Kreuze, Spangen, Medaillen.

Wofür Opi?”, fragte ich.

Das magische Wort

Erinnerung“ fiel:


In Yperns Gräben kauern wir hinter Masken,

schwitzend, Blut spuckenden Mundes.

Die es nicht schaffen, umhüllt gelbe

Wolke unbarmherzig sanft.

Röcheln und wimmern

Vernehmend, warten wir auf Angriff.


– Vor deinem Bett sitzend, schau ich

Schweigend zu, wie Krämpfe dich schütteln.

Großvaters Erzählungen im Kopf,

reiche ich Dir die Nierenschüssel, ungefragt:

Alles in sich ist still, eigentlich, nur das Piepsen

des Monitors oder die Scherze des Pflegepersonals

Vom Flur her begleiten unseren Kampf, uneigentlich.


Lost, wie damals. Wer hätte je denken können,

dass der hunderttausendfache Qualtod von gestern

das Heilmittel von Heute ist. Welche Ironie, welcher Zynismus!

 

http://www.youtube.com/watch?v=mBpPioBKDJM&feature=related

 

 

(Ifosfamid)

* * *

Allein im Zimmer im Kampf mi den Ängsten
Jeder Schlagbaum, jeder Querstrich, jedes Hindernis wird mir eine Arznei sein.

Umkehrisolation

Mein Ölzeug ist ein grüner Einwegskittel,

Meine Sturmhaube ist tuffig-türkis,

Handschuhe mit ihrem widerlichen Geruch

Nach Teer und Gummi umstülpen meine Hände.

Die Schuhe in Kunststoff eingetütet und mit

Blauem Mundschutz maskiert, so trete ich ein

nach intensivem Genuß Sterilalkohols

In Dein Zimmer, ein Aquarium aus Glas und

Aluminium. Du liegst wie eine Schiffbrüchige da,

Umspült von Instrumenten, Tauen, Masten.


Bin ich da draußen oder bist du hier drinnen?

Wo sind wir in dieser unwirklichen Kulisse

Von Effektivität und Notwendigkeit?


Ich tue mein Bestes nicht zu würgen.

Mein übersättigter Atem raubt mir

Die Lust mich zu unterhalten.

Wozu auch, halbtot und voller

Beruhigungsmittel dämmerst du in

Die Stunden hinein. Ich sitze nur da,

Deine Hand haltend. Heute ist Donnerstag

Und  morgen werde ich Freitag sein.

* * *

Die Natur der Dinge
In Wahrheit heißt etwas wollen, ein Experiment machen, um zu erfahren, was wir können.

In der Gasse der Ratten (T.S.Eliot)

Es fällt mir schwer, etwas tröstliches zu erkennen.

Jeder der liebt, stirbt mit dem geliebten Sterbenden.

Ist  es nicht unsäglich vermessen zu glauben, Glück

Bestünde im Erreichen gesetzter Ziele?


Wer sind wir denn, dass wir glauben, die Sonder-

Kreation eines allmächtigen Gottes zu sein?

Wie absolut narzisstisch muss unser Glaube sein,

Dass der gerade zu uns eine exklusive Liebe pflege?


Zu uns, die wir alles, was er geschaffen´hat,

Mit Füßen treten oder mit Händen hineinwerfen,

In den Orcus der Ignoranz von Leben und Tod?

Warum sollte er uns lieben, die wir ihn verraten?


Du sagtest mir, als ich weinend klage, Dir nichts

Versprechen zu können, dass Du genau das willst:

Ehrlichkeit! Sie sei alles, was Du von mir willst.

Seitdem wandle ich dort, wo der Tote seine Knochen

Verlor, in der Gasse der Ratten, am Ende von Morgen.

* * *

Als wir versuchten unser Recht zu bekommen
Der Feige stirbt schon vielmals, eh er stirbt.

Die Macht des Pflegepersonals

Nein, das ist nicht nötig! Laß ich nicht zu!

Ich red noch mal mit Ihr!“,-

Der bipolare Hüne von Pfleger dreht sich

um und geht in Dein Zimmer. Dabei wolltest Du

nur, daß man Dir die Haare abnimmt.


Du magst nicht zuschauen, wie sie Dir

ausfallen. Seit Wochen wurde Dein Haar

nicht mehr gewaschen. Überall juckt es

Dich. Du findest keine Ruhe. Er behandelt

Dich wie ein kleines Kind. Durch das

Fenster des Aquariums sehe ich Deinen

vergeblichen Kampf: Deine Entmündigung!


Am anderen Tag komm ich mit Jonathan.

Wir haben ein Thangka und den Rasierer

im Gepäck. Dieser unmögliche Kerl

sträubt sich immer noch.Ich argumentiere,

daß Du Buddhistin seist und Dich auf den Tod

vorbereiten willst. Das sei Dein Glaube.


Aber sie stirbt doch noch nicht, auch

wenn sie die schlimmere Form hat?!“

Ich sage nur, es sei egal, es sei Dein

Menschenrecht. Er zieht beleidigt ab:

Aber das machen sie selber, ich nicht!“

Wir hängen Dir das Thangka auf und rasieren

Dir den Schädel: Du weinst vor Glück!

Danke, Danke, Danke, zittert Deine Stimme.


Ich zitiere das Mahamudra und wir singen

Mantren. Mahakala hängt nun Deinem

Bett gegenüber. Fest hälst Du meine Hand

und ich spüre, daß Dir das alles Kraft

gibt. Draußen fragt mich mein Sohn, warum

der Kerl keine kahlgeschorenen Frauen mag?

Hast Du nicht bemerkt, er bekommt Glatze!“

* * *

 

12 Quadratmeter fürs Üerleben
Keine Eigentümer schuf die Natur, denn taschenlos, ohne Taschen in den Pelzen, kommen wir zur Welt.

Überstehen ist alles (für H.Ulrich und R.M. Rilke)

Verknotet“ heißt das Buch

über Deinen Kampf gegen den Krebs.

Ich las es, Deiner Stieftochter zuliebe.

Zu schmerzhaft waren meine eigenen

Erinnerungen. Ich las es nicht gerne.


Aber gute Bücher müssen auch nicht

gefallen, sie müssen bewegen, an-

regen, den Kurs zu überdenken

und auch zu ändern. Ja, sie müssen

sein, wie Krankheit selber, katharsiserfüllt.


Wenn wir in uns das Leuchten finden,

egal welches Anlitz es trägt, dann

trägt es uns über allen Zweifel

hinweg in das Land des Glaubens.

Nenn es Fatalismus, nenn es Naivität,

es wirkt, in uns , aus uns heraus:


Als ich selber da lag, zerschellt

auf weißem Laken, war es nicht so

peinigend, wie jetzt, als ein geliebter

Mensch gestrandet liegt. Ich kenne

nun beide Seiten. Wahnsinn gehört den

Übriggebliebenen, den Zusehenmüssenden!


Wir, die sterben, sehen den Urgrund,

vor dem wir deutend Rätsel raten.

Der Weg der Krankheit ist ein schwerer,

Alptraum erfüllter Erkenntnisweg;

Angst und Not triefen aus allen fieberoffenen

Poren; Wir wissen, was Ohnmacht im

reinsten Sinne bedeutet: Überstehen ist alles!

* * *

Ich bin ratlos, wohn ich gehen soll!
Das Schicksal liegt nicht in der Hand des Zufalls, es liegt in deiner Hand, du sollst nicht darauf warten, du sollst es bezwingen.

Der entschiedene Betreuer

Als Du nicht mehr sprechen,

noch schreiben konntest,

bat mich der Arzt, die Betreuung

zu übernehmen.


Per Gerichtsbeschluß

entschied ich auf einmal

über Dein Leben.


Ich konnte aber

nicht für Dich entscheiden,

ich konnte nur für mich

entscheiden.


So entschied ich die Biopsie,

ich entschied die Chemo,

ohne Dich zu fragen,

weil ich Dich liebe, ich Egoist!

* * *

 

Meine Tochter au der Rodelbahn
Schmerz, der nicht spricht, bricht das Herz und macht es brechen.

Lea

Ist sie nicht süß!“,-deine zitternde Hand

deutet auf die Fotos vom letzten Winter,

Du weinst bitterlich, und ich weine mit.


Ich will noch nicht gehen!“, und große

Tränen kullern über die Schläuche auf

Dein durchschwitztes Kissen „Nein, Nein!“


Sie ist im Moment in der Schule, denke ich

und sehe sie vor mir: Laut lachend

wie Pippi Langstrumpf, breitbeinig,

die Hände in die Hüften gestemmt,

lebenslustig. Ich habe ihr reinen

Wein eingeschänkt. Sie weiß, um was es geht.


Alle waren darüber schockiert,- meinem Kind

die Wahrheit zu sagen!! Aber Lea packt

das! Sie ist ihrer Mutter Tochter.

Sie hat ein Recht auf Ehrlichkeit,

auch wenn sie weinen muß, wie ihr Papa.

Sie ist ein Kind der Liebe!

Sie hat rotblonde Zöpfe!

* * *

Woher ich komme, wohin ich gehe.
Ich sitze am Strassenhang. Der Fahrer wechselt das Rad. Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. Warum sehe ich den Radwechsel mit Ungeduld?

Spiegelungen

Drei mal hab ich eine Chemo

mitgemacht:

Das erste Mal, nach einem

Unfall. Der Arzt sagte mir,

sie haben Glück im Unglück.

Ihr Knie ist zwar kaputt,

aber wir haben auch früh

den Krebs entdeckt!


Das zweite Mal, als ich mich

umschulen ließ. Die Nächte

waren unruhig, ich dachte

aus Stress. Nein, nein sagte

der Arzt, es ist ein Rezidiv.


Das dritte Mal wollte ich

zurück in meinen alten Job.

Es sah alles gut aus, aber auch

da sagte mir der Arzt, daß die

Schmerzattacken nicht von

den Anstrengungen kommen.


Und jetzt stehe ich hier vor deinem

Bett und mach meine vierte mit.

Es ist anders, es tut mehr weh:

Die größte Fähigkeit des Menschen

ist Mitgefühl empfinden zu können!

* * *

Zwischen den Gaben
Zweifel sind Verräter, sie rauben uns, was wir gewinnen können, wenn wir nur einen Versuch wagen.

Kurativ 20 bis 30%

Vor dem ersten Zyklus

sagte mir der Prof. offen,

weil ich um Offenheit bat:

Wir können froh sein, wenn

wir einen halbwegs

kommunikativen Menschen

retten können, wenn es nicht

schon zu spät ist. Ich weiß nicht,

was ich tun würde an Ihrer Stelle!“

Er legte die Hand auf meine Schulter.


Diese Ernüchterung half mir.

Andere hätte Sie zerstört,

mir gab sie Kraft: Du konntest

nicht mehr sprechen, warst

völlig gelähmt und Dein Blick

verlor sich leer im Raum.


Nach dem zweiten Zyklus,

als sich Dein Blick wieder

fing und Du wieder Worte

zittrig von Dir gabst, war

ich erstaunt und angstvoll,

– einer Illusion zu erliegen.


Das MRT sprach davon,

daß Dein Gehirn

geschrumpft sei. Wasser

hätte sich gesammelt, eine Stelle

sei beschädigt, aber insgesamt

sei das Lymphom stark

zurückgegangen:


Zurück wohin? Wo kam es her?

Jetzt nach dem dritten Zyklus

hast Du wieder gute und schlechte

Tage. Du sprichst ganze Sätze

und die eine Körperhälfte bewegt

sich wieder. Dein Gedächtnis

hält nicht lange, aber Du versteht

meine blöden Späße wieder.


Ich weiß, wir sitzen auf einer

Sandbank zwischen Ebbe

und Flut und wissen nicht,

was wir uns mehr wünschen

sollten: Ich streichel Deine

Wangen verlegen, ratlos!

* * *

Im Koma Momente des Glücks
Menschen deuten oft nach ihrer Weise die Dinge, weit entfernt von wahren Sinn.

Angsteinflößende Stille und Dein Engelslächeln

Mit großen Augen wundersam

schaust du in die Welt,

alles kommt so wie es kam,

neu und unverstellt.


Wirst du gerade neu geboren,

oder stehst Du vor der Tür,

über die wir alle nur rumoren,

da sie ängstigt für und für?


Ratlos meine Angst zu stillen,

blicke ich zum Fenster raus,

suche in Worten Deinen Willen,

Gedanken kennen sich nicht mehr aus!


Bist Du am Kommen, bist du am Gehen,

sagst Du Hallo oder Aufwiedersehen?

Meine Deutungskunst versagt.

Ists ein Zeichen oder kann ichs verstehen??

Verstummend meine Tränen gehen.

Glaube mir, hab ich Dir gesagt,

Kommend seh ich Dich verwehen.

 

http://www.youtube.com/watch?v=xzX3F6dkSCI

* * *

Du kämpfst oben drüber in der 4.Etage
Wenn ein Arzt hinter dem Sarg seines Patienten geht, folgt manchmal tatsächlich die Ursache der Wirkung.

Der Port

Alle Venen sind durch.

Nichts mehr, was noch

sinnvoll haltbar wär.


Uns packt die Pein,

was es zu tun gibt,

auch einen Ausweg?


Der kluge Chirurg fragt

nach und ich sag, was

ich weiß: „Wir nehmen

also das Modell, dann

hat sie Ruhe mit dem Gesteche!“


Ich hatte es auch,

damals, als sie mir

den notwendigenTod

durch den Körper jagten:

Da kann man alles infundieren,

auch wenn´s teurer ist!“


Am nächsten Tag führen

sie den Schlauch zu Deinem

Herzen und pflanzen

den Zugang unter die Haut.


Ob nun alles gut geht?

Sepsis lauert oder

der Brand der Lunge:

Wascht Euch die Pfoten,

Ihr Helferleinneurotiker!

Denn Jetzt seid ihr an

Ihrer Lunge, an Ihrem Herzen!


Mein Atem hält stille,

wie der einer Maus,

im Versteck vor der Katze,

im Hafen der Schiffbrüchigen,

vor dem Tor der Toren!

***

 

Regine Hildebrandts Buch
Wer vermag auseinanderzuhalten, wann es um die Steigerung des eigenen Marktwertes, wann es um Ideologiebildung, wann es um Wut aus schlimmer Erfahrung heraus geht.


Väter des Olymps oder wenn das Gehirn erkrankt (für Tilman Jens)


Wir wissen nichts.

Unsere Geburt begann wie ein Märchen,

aber Märchen hießen uns immer Kind zu bleiben.


So kamen wir hoch, um noch tiefer zu fallen,

in den Schlund der Auflösung; zünde das Licht an,

anstatt Container zu füllen, bitte!


Doch die Flamme, die einst so hell brannte,

verglimmt, und es ist doch noch so weit

den Berg hinauf!


Aber wozu noch Angst haben vor Fehltritten,

ohne Licht gibt es kein morgen mehr,

und die Gegenwart ist finster.


Herrlich war das Antlitz des Ersten,

beim Einlauf in die Arena, und das Beste

in uns feuerte ihn an den Kranz zu erringen.


Nun liegt es da in Kot und Urin,

unser Idol, das Genie unserer Wanderung;

wer leuchtet uns nun, wer ist des Wortes so mächtig?


Aber wozu noch Furcht mehren? Vor dem Ende

ist das Vergessen so groß und mächtig geworden?

Wer trägt die Fackel weiter, die verglimmt?


Oh Väter, die ihr uns einschwöret auf das Gute

im Menschen, wie zerbrechlich seid ihr doch selber:

Der Sprung im Götterporzellan.

***

Wir beide im Wohnwagen
Nescire quid ante quam natus sis acciderit, id est semper esse puerum.“ (deutsch: „Nicht zu wissen, was vor deiner Geburt geschehen ist, heißt immer ein Kind bleiben.“)

Der Rocky-Horror-Picture-Ausflug

Dirk, Jonathan und ich

kommen dich besuchen:

Wir dürfen mit Dir raus!


Zwischen den Zyklen

sollst du wenigsten einmal

vor die Tür und frische


Luft schnuppern. Ich

freu mich wie ein Kind

zu Weihnachten, und


wir packen Dich aus

dem Bettenlager. Du

kannst es kaum fassen!!


Abgekoppelt von Infusion

und Monitor setzen wir Dich

in den Rollstuhl, zugedeckt.


Wir binden Dir den Mundschutz

zu und ab geht die Post.

Die Pfleger grinsen sich eins.


Im Fahrstuhl das gespenstische

Bild im Spiegel: Tim Currys Gangster-

Bande, grün vermummt, mit

einer glatzköpfigen Geisel.


Das Gruppenbild mit Dame

geht mir nicht aus dem Kopf.

Wir sitzen auf einer Bank:


Dein erster Sonnenschein

nach langen Monaten, begrüßt

von Deinen leichten Tränen.


Die Leute um uns glotzen

uns an, als kämen wir

vom Mars: Ich bin irritiert.


Wir scherzen viel und bringen

Dich nach einer halben

Stunden wieder hoch auf Station.


Als wir das Zimmer verlassen,

ziehen wir uns Kittel, Hauben,

Handschuhe und Schuhschützer aus.


Als ich mich zum Gehen umdrehe

sagt mir die Schwester: Sie hätten

für draußen alles ausziehen können!


Da wird mir unser Unsinn klar;

wir haben ja nichts, nur Du!

Wir sahen aus, wie die Frankensteins,

frisch aus der OP kommend!

Jetzt weiß ich, wie sich Nina Hagen fühlt!

 

http://www.youtube.com/watch?v=bc80tFJpTuo&feature=related

 


***

Auf dem Weg zum Krankenhaus
Auf diesem beweglichen Erdball ist doch nur in der wahren Liebe, der Wohltätigkeit und den Wissenschaften die einzige Freude und Ruhe.

 

Campus oder Goethe im Kopf

Junge Menschen spazieren aus den Hörsälen;
Sie umfließen mich, der gegen den Strom
Zum Haupteingang will: Die Frage, ob ein Arzt
Gut oder schlecht ist, ist nebensächlich, wenn
Man in der Not keine Wahl mehr hat.

(Seit Jahrhunderten suchen Mediziner
einen Weg zwischen Scharlatanerie und
effektivem Wissen, zwischen Aderlaß und
Trail and Error. Zwischen Standarttherapie
und genialen Einfällen waten sie differential-
diagnostisch durch den Sumpf der Phänomene.
(Ich bin Ihnen nicht böse darum; es ist nicht leicht, alles zu wissen, was nötig ist, um ein Leben zu retten.)
Es ist ein steiniger und gefährlicher Weg zu Gott.)

Dankbar bin ich, dass überhaupt noch jemand
Daran glaubt, Dich retten zu können. Dem es
Egal ist, wer Du bist oder was Du bist. Der
Nicht danach fragt, was es kostet oder ob es
Sinnvoll ist, abwägend wie ein Krämer.

Es muß jemand geben, der in der absoluten
Hilflosigkeit, selbst wenn er selber hilflos
Wäre, es dennoch wagt, den Gang der Dinge
Aufzuhalten, dem Tod seine Fratze zu nehmen.
Das ist Mitmenschlichkeit, bei aller Geräte-
Kunst und Massenabfertigung.  Bei allen
Fehlern und Fehlentscheidungen, die auf dem
Weg liegen können, jeden Tag aufs Neue.

Das ist der hippokratische Eid in uns allen,
Das, was wir uns alle versprechen sollten,
Trotz Krise, Sparpläne oder Abwägungen:
Wir lassen niemand alleine am Abgrund stehen,
Wir lassen niemand auf dem Weg zur Mensch.-
Heit zurück oder ins Vergessen fallen.

Als ich den Haupteingang erreiche, sind alle
Diese Gedanken durch mich hindurch
Geflossen, und ich komme auf Station:
Der Professor hebt die Hand, als er mich sieht,
Und  ich grüße zurück, und ich bin dankbar
Für diese Geste, bei all den Kämpfen, die
Er kämpfen muß, auch den verlorenen!

***

Nicht geschieht unkontrolliert und dennoch keine Kontolle

Wohl dem, der gelernt hat, zu ertragen, was er nicht ändern kann, und preiszugeben mit Würde, was er nicht retten kann.

(Benn)

Mesna (Adjuvans)

Deine Lider sind grintig,

Deine Schleimhäute werden

abgestossen, jedesmal

dasselbe nach Ifosfamid:


Überall reißt Deine trockene,

blättrige Haut auf, und

du schälst Dich aus dem

Mantel der sterbenden Zellen.


Überall juckt es Dich und es

ist kaum auszuhalten Dir

zusehen zu müssen, wie du

dich selber zerfleischt.


Die aufgekratzten Stellen

bluten und verkrusten sogleich.

Nichts ist übrig von dem gelassenen

fröhlichen Menschen, der Du mal warst.


Deine zittrige Hand greift nach

meiner und ich halte Dich so

gut ich eben kann. Todeskämpfe

haben den Klang von Verwehungen.


Ich sah oft Menschen verwehen;

mein Werdegang führte immer

wieder an den Lagern der

Sterbenden als Sterbender vorbei.


Das Acrolein frißt sich durch Deine

Gedärme und leise tropft Mesna

in die Tülle. Der Biochemiker in mir

begleitet dich mit trockener Neugier.


Aber in mir ist auch der Mensch, der

dich liebt, der hofft, der bangt, der

verzweifelt: Ich weiß nicht, wie die

Ärzte es hinkriegten, läge ihre Liebe da?!


Sie sind geschäftig in ihren Gesprächen,

vor ihren Monitoren. Alle haben was zu

tun. Nur ich nicht. Ich tue nichts: Sitze

vor Deinem Bett und heul mich leise wund.

 

***

Die Elfe in Dir

(Drum laß Geduld uns durch die Prüfung lernen, Weil Leid der Liebe so geeignet ist Wie Träume, Seufzer, stille Wünsche, Tränen, Der armen kranken Leidenschaft Gefolge.)

(Ringelnatz)


Der Sommernachtsalp


Die schlimmsten Tage sind die, an denen

Du mich nicht mehr erkennst.

Ich gewöhne mich immer noch nicht daran.


Ist es die letzte Chemo, sind es die

Beruhigungsmittel oder ist es

das Lymphom, was Dir Erinnerung raubt?


Keiner erklärt etwas, keiner weiß was.

Völlig alleingelassen trage

ich meinen Schmerz durch den Tag hindurch.


Aber das Ungeheurlichste ist Dein Mitleid

mit mir, wenn ich, weinend über Dich

gebeugt, Dir etwas aus dem Becher zu trinken gebe:


„Warum weinen Sie denn? Ist es so schlimm?“

Du streichelst meine Wangen

und tröstest mich, den Fremden, der Dich liebt;


Ein Fremder, ein stiller Wanderer an Deiner Seite,

unerkannt wie Puck im Dickicht

der hofft, daß sein Alptraum Dich nicht zerstört!

***

Keimfrei muß es sein!

Mitfreude, nicht Mitleiden, macht den Freund.

Bestrahltes Blut

Während ich diesen Text schreibe,

am offenen Fenster,

scheint Deutschland ein Tor gegen

England geschossen zu haben.


Draußen tobt der Bär und in mir

die Angst um dein Leben!

Was geht mich dieses Pack von

Erfolgsgläubigen an, wenn ich aus

dem Krankenhaus komme

und erfahren muß, daß Dein

Hämoglobinwert dramatisch gesunken

ist?! Ich weine, während es böllert!!


In Afrika ist Weltmeisterschaft,

und Du stirbst; welcher Hohn,

welches Leid!?! So ähnlich muß es

auch den Armen und Kranken in

den Townships gehen…ich denke

an Soveto, und als ich das erste mal

von Arpatheid gehört habe. Kauft

keine Früchte vom Kap!

Freiheit für Mandela!

Damals durfte kein Weiß Blut

einem Schwarzen spenden und umgekehrt.

Man hätte es soviel bestrahlen können,

wie man wollte: Es wäre nie „sauber“

gewesen!

Die Zeiten haben sich gewandelt:

Heute feiert die Welt ihre Götter

unter der Wintersonne Bloemfonteins!

Ich sehe Dich vergehen, in Erschöpfung

leise atmend mich berühren,

während das bestrahlte, saubere Blut

durch den Port in deinen Körper fließt.

Kein Keim, nichts darf Dich erreichen,

was deine Abwehr nicht verkraftet.

Bestrahltes, keimfreies Blut,- und ich

höre die Explosionen einer Neuen Zeit,

die die ewig selben dummen Eitelkeiten

von Sieg und Niederlage verkünden,

die den Keim der alten Vorurteile schon

längst wieder in sich tragen!

***

Der nervende sachliche Zeuge des unfairen Kampes

Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte. Für die Tapferen ist sie die Chance.

Der Monitor

Atemfrequenz:

Ich lausche den gelben Wellen

im inneren meiner Lunge;

ich atme mit Dir, um Dir Ruhe

zu geben.


Pulsfrequenz:

Mit jeder neuen Hiobsbotschaft

werde ich lethargischer;

Tötet mich, ihr Fakten und Daten.

Ich speie meine Leber euch entgegen.


Herzfrequenz:

Ausgepumpt bin ich

von all dem Leid der anderen,

meines unverrichtet zu leugnen,

bis ich dran bin!


Temperatur:

Ich koche den Sud aus Galle

und Gift, den ich täglich trinke

in der Anonymität der

Intensiven Medizinmänner!


Blutdruck:

In mir steigt der mechanisch

Wunsch die Helfer zu töten,

weil die Tortur unerträglich

ist und zum Glück


hält mich all das

Gepiepse ab!

***

 

Das Muster der Flügelhemden

Wer wird etwas Großes erreichen, wenn er nicht die Kraft und den Willen in sich fühlt, große Schmerzen zuzufügen?

Reizwäsche

Schon wieder eine Infektion,

und sie wissen nicht woher!?

Sie hoffen auf ihre Breitband-

Antibiotika, bis auch die nichts

mehr ausrichten können.


Die Sepsis droht, der Tod durch

unkontrollierte Stämme: Ich

grabe nach Kriegsbeilen für denjenigen,

der mir die Botschaft überbringen

wird. Derweil starre ich wie


ein Autist auf das ewig selbe

Kleinmuster deines Flügelhemdes:

Genau das ist Krankenhaus:

Entmündigung und Verharmlosung,

bis daß der Tod uns scheidet!


Und dann, will es keiner gewesen

sein; es war das Kalkül: Hätten wir sie

nicht getötet, hätte der Krebs sie getötet.

Es ist hart, im Dienste der Menschheit

eine Laborratte zu werden und das in

diesen Hemden: Das Muster

der Flügelhemden für Engelmacher!

***

Die Brücke in unserem Garten

Wirf den Helden in deiner Seele nicht weg! Halte heilig deine höchste Hoffnung!

 

 

 

 

Der Sommer der Liebe

Ich seh Dich noch,

auf der Brücke in unserem Garten:


Es war der Sommer,

der mir klar machte, daß ich Dich

nie wieder verlieren möchte.


Und dann kam das Frühjahr

des Todes!

***

Wir warten auf Ergebnisse

Wer die Freiheit nicht im Blut hat, wer nicht fühlt, was das ist: Freiheit, der wird sie nie erringen.

 

Nottrauung

Die Chemo ist nicht angeschlagen,

jetzt kommt die Strahlentherapie.

Maximal ein halbes Jahr“ sagt mir

ein Spezalist und ich warte


auf Deine Worte: „Heirate mich bitte?!“

Ja mein Schatz, alles was Du willst!“

Der Sozialdienst nimmt Verbindung

mit dem Standesamt auf, und ich versuche

Deine Strahlentherapeuten zu erreichen.

***

Gang zur Strahletherapie in der Charite

Die Menschen, die Gesellschaft, der Zufall, die Natur, Gott, so glaube ich, verkaufen uns die Liebe um den Preis der grausamsten Qualen.

Strahlentherapie

 

Es wächst weiter, es läßt sich nicht stoppen.

Wir können nur noch Zeit gewinnen.

Du willst Zeit gewinnen und  nur darum

gehe ich für Dich rüber in die Strahlentherapie.


 

Frau Doktor klärt mich auf,-

ein freundliche, kluge und sachiche

Frau. Sie nennt mir die Nebenwirkung,

die zwischen Hirnschwellung und Demenz


rangieren. „Lyphome reagieren meistens recht gut

 

auf Bestrahlung. Erste Verbessererunngen sind

nach etwa vier Wochen zu erwarten.“


Ih verliere Dich. Vor dieser Ärztin wird mir

aufeimal klar, daß ich Dich verliere.


 

Wir gewinnen Zeit: ein paar Monate, ein Jahr?

Manche Patienten haben Jahre überlebt.

Um welchen Preis? Als gekochtes Gemüse vegetieren?

Dieser Weg wird kein leichter sein.

 

 

 

***

 

Wir dürfen nach der Chemo wieder mal nach Wochen aus

Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen.

Das Gespräch


Am Abend kommt der Chefarzt

der Intensivmedizin in Dein Zimmer.

Ich habe ihm im Vorgespräch gesagt, daß ich Dich

aufgeklärt habe: Heilung ausgeschlossen.


Er spricht langsam und akzentuiert,

da er nicht weiß, wieviel bei Dir ankommt.

Er wiederholt viel, weil Dein Gedächntnis

nachläßt. Er erklärt Dir, daß nur noch palliativ


therapiert werden kann. Dass sie Dich nicht aufgeben.

Und Du ganz bestimmt von dieser Station nicht

vergessen wirst, weil Du tapfer und stets freundlich

den schwersten Weg eines Menschen gegangen bist.


Er will Dir Deinen Wunsch erfüllen, mich zu heiraten;

aber Deine Erkrankung läßt keine  eindeutge Bewertung

Deines freien Willens zu. Aber egal aus welchen Gründen auch

immer Du heiraten willst, es muß klar sein, daß Du das


aus freiem Willen heraus willst. Er wird Dich  begutachten

und alles dafür tun, daß Dein Wille geschehe.

Ich stehe dabei und erlaube mir den bitteren Witz, daß jemand

mit Leberzirrhose heiraten darf, weil er einen freien Willen


hat?!? Was wird wohl noch von deinem „freien Willen“ übrig

sein, nach Chemokeule und Strahlenbekochung?


Er drückt noch einmal „Antje“ fest die Hände

und bekundet seine Hochachtung  vor Dir.

Ich danke diesem Arzt innerlich für diese

Geste. Er hat uns bisher nicht im Stich

gelasssen, er hat uns nie etwas vorgemacht.

Danke, Doc!

***

 

Hochhaus/Bettenhaus

Hoffnung ist der Kampf der Seele, die von dem, was vergänglich ist, losbricht und ihre Zeitlosigkeit bezeugt.

 

Jeder Augenblick zählt

 

Ich begreife allmählich,

was es heißt Dich zu verlieren,

weil ich spüre, wie wertvoll

jede Minute mit Dir ist.


 

 

Darum bin ich beschähmt,

wenn ich vor Erschöpfung

und Existenzkampf nicht die

Zeit habe, Dich zu besuchen.


 

 

Ich bin ein Verräter

im Hamsterrad.

Kein Ahab in Sicht!

 

***

Kein schöner land

O lerne fühlen, welches Stamms du bist!

Unterm Lindenbaum


Hier im Innenhof,

vor der Sportmedizin,

sitzt Du nach der ersten

Bestrahlung im Rollstuhl

unterm Lindenbaum

und ruhst Dich aus, gelähmt

und für alle Zeit von deinem

früheren Leben abgetrennt.


-Kein schöner Land in dieser Zeit-


Du wirkst wie eine alte Frau,

und Dein junges wunderschönes

Gesicht irritiert bei allem Zerfall.


-da haben wir so manche Stund, gesessen da in froher Rund-


Du sprichst wenig,

langsam, zittrig:“ Mein Gedächtnis

ist nicht mehr so gut. Ich weiß wer Du,

bist mein Schatz, noch hab ich Dich nicht

vergessen.“


-und taten singen, die Lieder klingen-


In mir schreit der Schmerz

der Verlorenheit; Keiner hört mich in diesem

Universum der Einsamkeit, und ich verkneif

mir die Tränen, die keiner sehen will,


-Wo wir uns finden, wohl unter Linden-


weil keiner sie verstehen kann, da keiner

mehr da ist, der sie noch ertragen kann,

weder in Dir noch in mir!


– zur Abendszeit-.

***

Diesen Sommer zum ersten Mal

Man kann nicht einmal sagen, die Umstände bestimmten unser Fühlen, vielmehr bestimmt unser Fühlen die Umstände.

 

Kaktusblüte


 

Ich fasse es nicht;

seit Jahren versuche ich dieses Ding

zum Blühen zu bringen und ausgerechnet

dieses Jahr blüht er in Hülle und Fülle.


 

Heike war heute bei Dir.

Sie sagt, Du verkraftest die Bestrahlung  gut

und seist sehr munter gewesen.


 

Ich glaube gar nichts mehr,

ich schaue auch ungläubig

auf den Kaktus!

 

***

Türöffner

Zur Grausamkeit zwingt bloße Liebe mich.

In der Schleuse


Ich warte mal wieder,

bis man mich reinruft.

Hände desinfzierend

schaue ich mich um.


 

Dieser Ort,

zwischen drinnen und draußen,

zwingt mich umzudenken:

Es besteht Hoffnung als

Akt der Befreiung von

Gleichgültigkeit.- so lange

Menschen um Menschenleben

ringen, bleiben dieTüren offen

und Chancen wirken; geben wir den

anderen auf, geben wir uns auf!

 

***

Die Glastür in der Schleuse

Der wahre Gläubige weiß, dass der Ungläubige auch ein Mensch ist, dass er auch ein rechtschaffener Mensch sein kann, und er kann also, ohne lasterhaft zu werden, teil an seinem Schicksal nehmen.

Die Pfleger und Ärzte


In ihren blauen Kitteln

flitzen sie dem Gepiepe hinterher.

Sie schieben Wechselschicht,

sind übermüdet und schlecht bezahlt.


Dennoch bleiben sie freundlich,

versuchen zu verstehen,

auch wenn es manchmal den

Rahmen sprengt.


Ich bin stolz,

solchen Menschen begegnet zu sein,

normalen Menschen, die sich der

Unmenschichkeit widersetzen.


Die es jeden Tag aufs neue

versuchen, dem Tod ein Leben

abzuringen, auch auf die Gefahr hin,

daß die Routine des Sterbens

sie eines Tages selbst einholt.

 

 

 

***

19. Etage, neues Zimmer, neue Station

Wir werden schwach geboren, wir brauchen Kraft, wir werden von allem entblößt geboren, wir brauchen Beistand, wir werden dumm geboren, wir brauchen Verstand.

Aussichten


Dein neues Zimmer hat eine

tolle Aussicht auf Berlin:

Hauptbahnhof, Kanzleramt, Reichstag

und wenn man seinen Kopf

im Besucherzimmer arg verdreht,

kann  man sogar den Fernsehturm erspähen!

Es strahlt die sozialistische Sonne,

und ich erkenne das Lichtspiegelungs

-Kreuz, das Erich so ärgerte.


Nur Du hast von dieser Aussicht nichts.

Du liegst im Bett und bist unruhig in

dieser neuen Umgebung. Der junge

Dr. bittet mich  vor die Tür: “ Haben

Sie schon über alle Eventualitäten geredet?

Will sie z.B. wiederbelebt werden?“-

„Ich habe es angesprochen, Doc. Sie will es sich

überlegen. Es wäre gut, wenn wir zusammen

noch mal darüber reden!?“-

„Ja, das tun wir. Jetzt soll sie sich erst einmal

eingewöhnen!“ Wir schütteln uns die Hände, und er geht,

um seinen Bericht zu schreiben.


Deine Eltern sind wieder mal in den Urlaub gefahren,

wie zu Ostern, als Du ins Koma gefallen warst und ich zu Deinem

Betreuer bestellt wurde. Immer wenn es haarig wird,

Entscheidung getroffen werden müssen, in denen es um

Leben oder Tod geht, sind sie weg, mit unserer Tochter

im Gepäck. Aber sie wollen bestimmen! Sie wollten sogar

dagegen klagen, daß ich Dein Betreuer geworden bin;

der Anwalt war schon bestellt, da wurden sie gewahr, daß die

Ärzte es veranlaßt haben, weil sie mal wieder nicht da waren!

Sie wollen bestimmen, aber keine Verantwortungen tragen,

diese vorbildlichen Bundesbürger mit ihren Wessi-Ossi-Vorurteilen,

ihrer Angst vor dem Finanzamt und den höheren Mächten als Blitzableiter;

Sie wollen bestimmen, was mit unserer

Tochter passieren soll, was mit Dir passieren soll, diese

Republikflüchtigen!


So leere ich die Tüten mit Wäsche

und trage mal wieder alleine die

Verantwortung, mit Dir, die manchmal ganz nah und

manchmal ganz weit weg ist!

***

Wir packen die Deine Sachen und ziehn in den 19.Stock

Ach, daß der Mensch so häufig irrt und nie recht weiß, was kommen wird.

 

 

Der Umzug

Deine Tage sind gezählt auf dieser Station:

DU weinst bitterlich. Du willst nicht gehen,

dieser Ort des Grauens gab Dir Geborgenheit:

„Ich hab sie ja alle so lieb!“- ich weine mit,

weil Dein kindliches Gemüt mich so berührt.


 

Pfleger Thorsten gibt Dir noch was zur

Beruhigung: Er lacht und scherzt mit Dir

und Deine Sorgen verfliegen.


 

Verfliegende Sorgen!? Noch vor einer Stunde

war Dein Vater da, der wieder einmal seine Leier von „es wird

schon alles wieder gut, reiß Dich zusammen mein Kind

und du mußt jeden Tag so leben, als wäre es der Letzte“

runterspielte: Ein echtes Abziehbild proletarischen DDR-Urgesteins!


 

Er will Dich in irgendeine Klinik geben und mit irgendeinem

Heilpraktiker heilen. Er erzählt seine Phanatsien, weil er letztlich nichts weiter

zu bieten hat als Angst vor Deinem Tod. Er macht sich was vor, Dein Held der Arbeit,

der sich seinen Knickfinger abschnitt, weil er auf keine Behandlung mehr hoffte!

Mutmachen, mutmachen, rumzazza, rumzazza, bloß nicht hinsehen

und Havelhöhe.


Ich weiß noch nicht, was geschehen soll! Es ist ja nicht mal gesagt, ob

überhaupt die Strahenherapie längere Zeit das Lymphom stoppt.

Ich weiß nur, daß ich Dich nach Hause zu Deiner Tochter zurückholen

will. Ich gebe zur Zeit meine Sebständigkeit auf, weil ich für  Dich und Lea

da sein möchte: Und Amen und Amen und Amen, lieber Vater!!!

***

 

Spieglung im Aufzug

Solch Elend ist zu viel für Menschenkraft!

 

Auf und Ab


Wie oft ich U-Bahn fahre,

Karten löse, dieselben Straßen

entlang gehe, denselben Aufzug

benutze; ich weiß es nicht mehr?!


Ich bin müde, mein geschädigtes Herz auch.

Mein Bild im Aufzugsspiegel verschwimmt.

In Afrika sah ich Dinge, schlimmer als hier,

aber ich war jünger, abgebrühter, in Abenteuerlust.


Nun bin ich alt, verbraucht und selbstmitleidig.

Wie gut, daß mein Selbstbild verschwimmt!

***

 

Das Wort Stockwerk hat etwas brutal konstruktives an sich.

Du weißt es wohl: Dein feiger Teufel in dir, der gerne Hände-falten und Hände-in-den-Schoß-legen und es bequemer haben möchte - dieser Teufel redet dir zu »es gibt einen Gott!»

Treppen


Der Aufzug streikt,

also nehme ich die Treppe,

bis zum 19. Stock.


Der Sommer 2010 ist heiß und schwül,

und mein Herz macht schon bei der

dritten Kehre schlapp.


Ich sitze auf den Stufen und ruhe,

bis ich weiter kann. Ich bin auf

dem Weg zu Gott, Kehre um Kehre.


Gott ist eine Tür auf der steht:

Nur für Pflegepersonal!

***

 

Heike und Du beim Mantrensprechen

Du willst nach deinen Absichten bemessen sein und nicht nach deinen Wirkungen? Aber woher hast du denn deine Absichten? Aus deinen Wirkungen!

Metta


Sie sind zu Freundinnen geworden;

über das Gefühl der Exklusivität

haben sie sich erhoben und den Dharma

verwircklicht. Bilder der Erleuchtung

sehen ganz normal aus!

 

***

 

Zusammenhalten

Je mehr du dich selbst liebst, je mehr bist du dein eigener Feind.

Kunst


Früher konnte ich mit Haring

nix anfangen. Ich empfand seine

Bilder als zu simpel und zu trivial.


Und nun hängt auf dem Stationsflur

nahe Deines Zimmers eines seiner Bilder.

Und sofort wird mir klar, wie tief empfunden

diese Einfachheit ist.

***

 

Die Räder Deine Rollstuhls

Lacht nur über das Alter, ihr Jungen, lacht nur über eine Vergangenheit, die eure Zukunft ist!

Die Absurdität des Systems


Seit Tagen kommst Du nicht aus dem Bett;

Rollstuhlmangel in der Klinik.

Die Stosszeiten der Gehlosen hat der

liebe Gott ohne Dich vorausgeplant.


Ich rufe die Krankenkasse an, weil die

Rollstühle verleiht: „Ja, tun wir, aber

nicht in ihrem Fall. Dafür bezahlen wir ja

dem Krankenhaus Geld. Sie können aber

über den Sozialdienst eine Rollstuhl

bestellen!“ „Ich wollte doch nur leihen,

um Kosten zu sparen?!“ „Tut mir leid!“


Also ruf ich den Soziualdienst an, um den

Rollstuhl zu bekommen. Die Sozialarbeiterin

lacht über die Geschichte, die ich ihr erzähle:

„Das passiert so oft und die wundern sich, daß

die Kosten explodieren!“


Ich versteh langsam, wie in Deutschland

unser Gesundheitssystem funktioniert!

Wozu brauchen wir 1000 Kassen in dieser

Republik und warum funktionieren sie

kurzsichtig wie Wirtschaftsunternehmen?

Armes Deutschland, du wirst von Beamten,

Ämtern und Institutionen unflexibel

verwaltet und ausgebeutet!

Fähigkeiten durch spielen zurückgewinnen

Das ärgerliche am Ärger ist, daß man sich schadet, ohne anderen zu nützen.

Homo Ludens


Helmut meinte,

daß Spielen habe seinen

Geist aufrecht gehalten,

über alle Qualen der

Therapien hinweg.


Ich befolge seinen Rat

und kauf das Spiel,

und während wir spielen

begreife, ich wieviel

trainiert wird, was für

mich selbstverständlich ist.


So lernst Du wieder zählen,

Auge-Hand-Koordination,

Prozesshaftes Denken und

natürlich Scherzen und Ärgern.


Alles fällt Dir schwer und Du siehst

selber, was alles verloren gegangen ist.

Aber Du gibst nicht auf, auch wenn

Du immer wieder den Würfel

in den Mund stecken willst.


Ich weiß, daß es dumm ist, aber

in mir will es das.“ Ja, unsere kindlichen

Impulse, bei einem kindlichen Spiel.

***

Koordination und alte Fähigkeiten erhalten

Jede Zeit ist ein Sphynx, die sich in den Abgrund stürzt, sobald man ihr Rätsel gelöst hat.

Glumme Bitternis

Wir spielen um Dein Leben.

Jeder Zug ist ein Atemzug.

Jede Wende ein Gedanke.


Du sagst :“Heil mich bitte!“

Ich kenne die Diagnose

und das Schweigen der

Ärzte, vielsagend leer.


Ich sage „Ja“ aus vollem

Halse, schluchzend, um

den ungläubigen Thomas

in mir zu verbergen.


Ständig scheitere ich

an Meinungen der Ärzte:

Ich will Monoklonale

Antikörper, sie sagen

die Chemo sei gescheitert,

dann ist damit auch nichts mehr

zu machen. Ich lese in den USA

haben sie große Fortschritte

mit dieser Therapie und in Tübingen

forschen sie nach patienteneigenen

Antikörpern. die endgültige Heilung

bringen. Keiner macht mir Hoffnung.


Keiner dieser Ärzte geht auf die Angehörigen

ein. Sie behandeln und lassen uns alleine!

Wir spielen weiter um Dein Leben.

***

Ich liebe unsere Kinder, sagtest Du einmal

Es gibt leider nicht sehr viele Eltern, deren Umgang für ihre Kinder wirklich ein Segen ist.

Antjes Kloster

Du wolltest ein Kloster bauen,

ein Ort der Meditation, an dem

auch Kinder gern gesehen sind.


Jetzt ruht die Bauruine, und ich

Frage mich, was kann ich tun?

Ich bringe Dir unsere Kinder,


Du liebst Sie alle, weil Dein

Herz groß ist. Unsere Patch-

Work-Family war Dir nie

Schwer. Du hattest immer


Für alle ein gutes Wort;

Schreien war Dir verhasst.

Du freust Dich meine


Kinder zu sehen, die auch

Die Deinen sind; wir lachen.

 

Ja ein Ort, an dem Kinder ihre

tiefe Weisheit leben können:

Ich wünsche mir, dass Dein Traum

Wahr wird: Ein Kloster für Kinder!

***

 

Wir im Aufzug

Vor dem Glauben gilt keine Stimme der Natur.

Sommergrippe

Mich hats erwischt!

Schnupfen, Husten,Heiserkeit.

Ich kann nicht zu Dir,

um Dich nicht zu gefährden.

Ich bin unruhig wie

ein Tiger im Käfig.


Heike war gestern bei

Dir; Sie machten ein MRT.

Ich sitze wie auf roten Kohlen,

weil ich das Ergebnis nicht kenne.


Geht es zurück?

Kann es wenigsten gestoppt werden?

Sehen sie eine Chance?

Machen sie weiter?

Was vorher verhaßt war,

wird nun zur letzten Hoffnung.

***

Blues Brohers mit den Kiddis

Kein Strom ist durch sich selber groß und reich: Sondern dass er so viele Nebenflüsse aufnimmt und fortführt, das macht ihn dazu.

 

Everybody need somebody

Letztes Wochende sind wir
Mit David und Yannic
Ins Freilichtkino Rehberge.

Dirk hatte noch eine verlorene
Wette zu begleichen:
Deutschland wurde nicht Weltmeister.
Ja, in solchen Vorhersagen
Bin ich gut.

Wir sahen Blues Brothers,
Aßen Poppkorn und tranken
Bier. Die Jungens süppelten
Eine Cola nach der anderen.

Es war der Premierestreifen,
Alt, vergilbt, zusammengeklebt:
Sprünge, Kratzer, Flecken.
Es war wie damals, als ich als
Student in München ihn
Zum ersten Mal sah.

Wir lachen und singen mit
Und dann kommt die
Stelle, wo die Boys an der
Polizei vorbei auf die
Bühne des Palace Ballroom

treten und diesen Alten Song von Solomon Burke

Singen:In the morning (Everybody)
When my souls on fire (Needs somebody)
When I need that woman of mine (Everybody)
I need you, you, you, you (Needs somebody)
I need you, you, you, you (Everybody)
I need you, you, you (Needs somebody)
I need you

Ich heule wie ein Schoßhund,
Ich heule und heule leise
In die Poppkorntüte, damit
Die Jungens nichts merken
Und der Nachtregen verdeckt
Meine unendliche Finsternis.

 

http://www.youtube.com/watch?v=HCTJeT2i9QU

***

Der Himmel über Berlin

"Wie kann es sein, daß ich, der Ich bin, bevor ich wurde, nicht war, und daß einmal ich, der Ich bin, nicht mehr Der-ich-bin sein werde?"

Nebensächlich

Leben mit einem Lymphom,

das Dir den Geist raubt;

wie wird es weitergehen?


Mittwoch sollst Du nach Havelhöhe,

heute noch eimal Bestrahlung.


Deine Eltern wollen Lea ein neues

Zimmer kaufen und aufräumen.


Ich mache an Steuergeschichten rum.

Nebensächliches tun ist

Verlegenheitsarbeit.

***

 

Antjes Meditationsplatz unter de Bambus

Das Schreckliche zum Schönen, das Schöne zum Schrecklichen, beides hebt einander auf und bringt eine gleichgültige Empfindung hervor.

HavelHöhe


Wir wollen Dir einen Mantel umlegen,

bevor es Nacht wird.

Hier gebarst Du Deine Tochter,

hier bereitest Du Dich vor.


Ich bin ein alter Mann,

Du bist eine Junge Frau.

Licht sind die Tage.

Es wäre eigentlich mein Weg gewesen.


Hier reden die Menschen

Miteinander,

Gespräche ohne Aufwand,

klar wie die Nacht,

die kommen wird.


„Dem Leben nicht mehr Tage

Geben, den Tagen mehr

Leben geben.“-

Ich zähle nur Fakten,

Wie ein sturer Computer,

der Qualität von Quantität

nicht trennen kann.


„Dein  Reich komme,

Dein Wille geschehe“,-

ich hasse die Schöpfung

und liebe das Leben.

Wenn das hier alles keinen

Sinn machen würde, wäre

ich getröstet! Sollte es aber

einen Sinn haben, wäre es

für mich unbegreiflich

grausam: Mäntel werden im

Krieg Oft Leichentücher.

***

Dein und mein Schnerz in Deinem Gesicht

Erfahrung kann sich ins Unendliche erweitern, Theorie nicht eben in dem Sinne reinigen und vollkommener werden. Jener steht das Universum nach allen Richtungen offen, diese bleibt innerhalb der Grenze der menschlichen Fähigkeiten eingeschlossen.

AltersDiskriminierung

Ich höre die Leute sagen:

Sie ist doch noch so jung!

Wir werden alles für sie tun,

sie sind doch noch so jung!

Sie sind noch so jung,

da ist noch alles drin!

Sie haben noch gute Chancen,

weil sie so jung sind.

Gerade junge Patienten

Verkraften die Therapie besser.

Wenn sie nicht so jung wäre,

hätten wir die Therapie

gar nicht erst mehr angefangen.

So jung und schon so

Sterbenskrank.


Ich als alter Knacker

Höre diese Sätze

Und mich beschleicht

Ein ungutes Gefühl,

was wohl mit mir

passierte, läge ich dort.

***

Erholung unter einer Birke

So wie die Anmut der Ausdruck einer schönen Seele ist, so ist die Würde der Ausdruck einer erhabenen Gesinnung.

Krank am Dasein


Sie weiß nicht, was sie

Krank gemacht hat.

Sie weiß es wirklich nicht.

Sie hat nie gelernt

Zu hinterfragen, was hinter

Den Sätzen der anderen

Lauert. Sie ist der

Unbedarfteste wunderbare

Mensch den ich kenne;

Kein Argwohn, Kein

Misstrauen, nur Güte

Und Hingabe. Ich liebe

Sie dafür. Ich liebe sie

Für Eigenschaften, die

Sie Krank gemacht haben.


Antje ist Forrest Gump,

sie hat nur leider eine

absolut beschissene Pralinen-

schachtel bekommen.

***

In deinem Zimmer häng die Zeit

Mächte des Himmels! Für den Gram hatte ich eine Seele, gebt mir nun eine für das Glück!

Kalender


Schau mal, da!

Du quietscht wie

Ein Rohrspatz,

als wir nach dem

Auspacken Dein

Zimmer anschauen.


Da! Ein Kalender.

Mit Deiner „guten“

Hand zeigst Du auf

Einen altmodischen

Abreißkalender, jeder

Tag ein Blatt.

Ein Begriff von Zeit

Kommt wieder in Dein

Leben, dass so abgerissen

War von allem, was

Uns selbstverständlich ist.


Und ich bewundere

Diese Klinik für dieses

Tiefe Verständnis,

für diese Aufmerksamtkeit.

Und ich habe Angst,weil

uns die Zeit wieder hat,

vor der ich davonlaufen möchte.

***

Hier wurde ins Gehirn gebohrt.

Ein edler Geist kennt keine Furcht.Es steigt der Mut mit der Gelegenheit.

Loch im Kopf


Du streichst über Deinen Schädel:

„Bitte paß darauf auf, dass es nicht

wieder aufgeht?!“ Du weinst bitterlich.


„Ja, mache ich!“ sage ich dir über

den Schädel streichelnd. Du hast

einen wunderbaren Kopf, ebenmäßig


wie der einer ägyptischen Prinzessin,

und aus der Harmonie der Linien

leuchtet die Knospe des Einschlages.


Du kratzt immer wieder an der Narbe,

Und ich halte Dich immer wieder

Zurück. Es muß schrecklich sein


Sich selbst zu begreifen, nachdem

Man in Stücke gehauen wurde.

Kein Erbarmen der Welt ist in der


Lage dies angemessen ausdrücken.

Keine Gnade gibt es vor dem Tod,

kein Vergessen nach seinem Auftritt.

***

Du und Deine Eltern in Havelhöhe

Ganz aufgehen in der Familie heißt ganz untergehen.

Abnabelung

Eltern wollen immer nurDas Beste.

Eltern sind immer verwaist.

Eltern kämpfen bis zum Tod.


Kinder machen immer Fehler.

Kinder lassen nie los.

Kinder kämpfen nach dem Tod.


Männer kämpfen immer um ihre Frau,

weil Kinder immer Kinder bleiben

und Eltern immer Eltern,


bis das Fallbeil fällt,

und trennt, was nicht mehr

zusammengehört.

***

Im Park von Havelhöhe

Den Beweis der Unsterblichkeit muß jeder in sich selber tragen, außerdem kann er nicht gegeben werden.

Rooming in(ZeitaufErden)

Hier darf ich über Nacht bei Dir bleiben.

Unsere erste Nacht seit Monaten.

Ich liege im Bett an der Tür, und wir

Plaudern.

Du bist

Nicht sehr gesprächig. Dein Lymphom

Hindert Dich manchmal daran, einen

Klaren einzelnen Gedanken heraus zu

Fischen aus dem Strom des Bewusstseins.

Also führe

Ich das Gespräch: Nächste Woche hat

Unsere Tochter ihren neunten Geburtstag;

Sie will Ohrringe. Ein Thema das früher

Total Tabu war, aber heute sagst Du einfach:

Ja sie soll

Sie haben! Ich bin erstaunt und dennoch

Weiß ich, warum Du ihr die Bitte

Nicht abschlagen kannst; Nichts ist so

Kostbar wie unsere Zeit hier auf Erden.

***

Blick von Havelhöhe

Der Geist wird reich durch das, was er empfängt, das Herz durch das, was es gibt.

Medizin


Im Streben nach Gewissheit

Zielen wir auf vage Hoffnungen,

seltene Befürchtungen.


Trunken, von unsere Macht,

das Los zu wenden, den

Faden des Schicksals so zu


Wickeln, dass nichts an ihm

Abgeschnitten werden könnte,

tauchen wir ab in Formeln


Statistiken, Regeln und Meß-

Werken, immer getrost,

auf der Spur der Wahrheit


zu wandeln. Ach, ich bin

des Wandelns müde; gebt

mir was eines Taugenichtses


würdig: Ein paar Hiebe auf

den  Hinterkopf und ein

feuchtes Lager im Winterstroh.


Aus der Scheunenlucke

Erblickte ich als Kind einen

Sommer, so groß, wie einen


Teller, gefüllt mit Gebäck

Und Kinderblicken; Ach

Könnt ich noch einmal


So voller Freude sein, wie in

diesen Kindertagen, meine Medizin

würd ich schon schlucken!

***

KH Havelhöhe

Der Wunsch, Gutes zu tun, ist ein kühner, stolzer Wunsch, man muß schon sehr dankbar sein, wenn einem ein kleiner Teil davon gewährt wird.

Streit

Wir streiten, in dieser Phase, absurd!

Es geht um Patientenverfügung und die

Zeit nach Havelhöhe. Du willst in keiner

Pflegeklinik landen,


du willst bei deiner Tochter sein,

aber nach Haus in die alte Wohnung

willst Du auch nicht.

Ich kann im Moment

keine neue Wohnung anmieten, uns

fehlt das Geld.

Dann geh zurück zu Deinen Eltern!“

Nein will ich auch nicht!“

Du schreist und weinst, unberuhigbar, gewaltig

wie eiin Orkan!

Ja, so fühlt es sich an zwischen

Ebbe und Flut zu wandeln, mittem im Sturm.

Ich komme mir schäbig vor,

dem nicht aus dem Weg gegangen zu sein.

***

 

Bild auf der Station 11

Daß so leicht man der Menschen Imagination in Bewegung setzen kann, so gern sie sich Märchen erzählen lassen, eben so selten ist es, eine Art von produktiver Imagination bei ihnen zu finden. Zitat von Johann Wolfgang von Goethe

Anthroposophie


Wir wandeln zwischen

Welten, von Übergang zu Übergang.

Ich bin nicht sanft,

ich glaube nicht,

ich stelle aber Auswirkungen fest.


In meinem Studium kotzten mich

steinersche Schriften und Kunst an:

dieser offenkundige Rassismus,

diese elitäre geheimbündlerische Gesinnung.

Steiners Goethe war nicht mein Goethe.


Aber was solls; Hier haben wir Zeit

füreinander und die Pfleger und Ärzte

sind ganz toll! Was zählt ist der Effekt.

Das was heilt und hilft hat Recht.


Nur der Grafiker in mir stört sich

wahnsinnig an diesem Schriftbild. (grins)

***

 

Du lachst nach langer Zeit wieder mal herzlichst

Daß Sie zur Heiterkeit des Lebens gelangen, und dazu eben ist die Bearbeitung kleiner Gegenstände das beste Mittel.

Schadenfreude

Ein Windstoß drückt mit dem

Fenster die heiße Kaffeetasse

von der Fensterbank auf meinen

Schoß. Heiß, ganz absolut heiß!!!


Ich springe auf wie Oilver Hardy,

und jaule, hüpfe, springe, dem

Schmerz zu entgehen. Ich erreiche

Das Waschbecken zur Kühlung:


Ahhhhh, Wohltat! Es läßt nach.

Was höre ich da? Von hinten

brüllend lachen, ohne Ende?

Mein ganzer Schmerz verflogen:


Ich bin ganz und gar in ihrem Lachen,

es war seit Monaten nicht mehr zuhören.

Und ein erster Schimmer von Hoffnung

taucht in mir auf. Hoffnung auf Weiterleben.

***

 

Platz vor dem Dienstzimmer

Von dem, was du erkennen und messen willst, musst du Abschied nehmen, wenigstens auf eine Zeit. Erst wenn du die Stadt verlassen hast, siehst du, wie hoch sich ihre Türme über die Häuser erheben.

Long Island


Alles vorbildlich,

das Personal sehr ruhig und gelassen.

Die Farbe der Wände geben Geborgenheit.

Auf Kleinigkeiten wird sehr viel wert gelegt.

Selbst die Bettpfannen sind aus warmen, weichen

Kunststoff und nicht aus Edelstahl!


Man nimm sich Zeit für Ansprache,

die Schwestern hetzen nicht von Zimmer zu Zimmer.

Sorgfältig sind die Behandlungen.

Trost und Hingabe führen ein Stückchen neues Leben ein.


Ich komm mir hier vor

wie ein Schrapnell im Blumenmeer.

Wie ein Aussätziger unter Göttern.

Und Morgensterns Zeilen Trösten mich:

Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben.
Machen wir uns von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein
.“

***

 

Das A. im Aufenthaltsraum

Gedanken, die schockweise kommen, sind Gesindel. Gute Gedanken erscheinen in kleiner Gesellschaft. Ein göttlicher Gedanke kommt allein.

Aquarium

Ich sitze in der Küche der Station

und blicke Tee trinkend ins Aquarium;

Blitzlichter der Chemo tauchen auf:


Deine Schreie, Dein Gurgeln und Wimmern.

Ich schließ die Augen und die Bilder

rollen weiter. Ich greife nach Dir und

Dein poröser Körper zerfällt zu nichts.


Ich reisse die Augen auf und stiere

luftringend, Schweiß überströmt

weiter ins Aquarium, als wäre nichts

gewesen, als wäre alles ganz normal.

Da draußen lauert der Tod!

***

 

Das Fenster in Deinem Zimmer

Das reine Gefühl einer endlichen allgemeinen Gleichheit, wenigstens nach dem Tode, scheint mir beruhigender als dieses eigensinnige starre Fortsetzen unserer Persönlichkeiten, Anhänglichkeiten und Lebensverhältnisse.

Das Fenster

Immer, wenn ich nicht weiter weiß,

mir vor Schmerz die Gedanken brechen,

schau ich hinaus, als gäbe es etwas Neues

da draußen; aber dort ist nichts, was anders

wäre als Gestern oder Morgen. Ich schaue hinaus

in den Gang eines sterbenden Augusts und trockne

das Wasser auf meinem Gesicht, aus Schweiß und Tränen.

***

 

Dein Ebenbild

Die vernünftige Welt ist als ein großes unsterbliches Individuum zu betrachten, das unaufhaltsam das Notwendige bewirkt und dadurch sich sogar über das Zufällige zum Herrn macht.

UNSERE TOCHTER

Wird sie ohne Mutter aufwachsen müssen?

Wie  kann ich für sie da sein,

wenn ich Dich pflege?

Sorgen der Zukunft,

weil Planung notwendig ist.


Zukunft kennen nur die,

die Problembewusstsein haben.

Die, die sorglos in den Tag

Hineinleben, wissen nicht,

dass sie von denen Leben,

die sich sorgen, Tag um Tag.


Meine Tochter ist eine Fee,

die geraden Blicks in die

Zukunft schaut, unbedarft

Und ich, ihr Vater spiele

Ihr Mut vor, den ich oft nicht

Mehr habe. Was für eine

Welt der unseligen Versicherungen.

***

 

In der Not halten sie doch zusammen....

Es ist ein Zug der Kindheit, aus allem alles machen zu können, sich die augenscheinlichsten Quiproquos nicht irren zu lassen.

Zwei halbe Schwestern


Sie streiten sich wie die Kesselflicker

Und dann spielen sie ganz ruhig

Miteinander. Sie beneiden sich und

Sind zickig zueinander. Was für Kids!!


Jetzt in letzter Zeit reden Sie viel mit

Mir wegen Antje. Sie sehen mich auf

Der Couch sitzend heulen und schmusen

Sich an. Es ändert sich was bei den

Beiden. Es ist grausam aber ersichtlich,

dass Leid zu respektvollen Umgang

führen kann, für jeden in uns.

***

 

Helmut und Elke

Es ist eine unaussprechliche Glückseligkeit, wenn Gesinnungen und Empfindungen zwischen zwei Wesen wechseln ohn irgend anzustoßen, zurückgehalten oder geschreckt zu werden.

Leid teilen (Freunde)


Leid teilen, wie soll das gehen?

Man redet und redet und keiner

Versteht. Menschen, die wirklich

Leid teilen, haben es meist erfahren

Am eigenen Leib, der Innerlichkeit.


Schwer Kranke denken nicht

Vernünftig, Sie sind emotional.

Erwägungen der Versorgung

Deuten sie falsch. Die Angst vor

Der Endgültigkeit, der Ohmacht

Treibt sie ins Hamsterrad.


Wir sitzen im Garten und Erwägen

Diesen oder jenen Weg. Wir essen,

trinken, plaudern, witzeln, philosophieren

und erwägen wieder. Freunde gehen

auch Umwege mit. Umwege zu Dir.

***

 

David, Yannic, Till

Das Kind, das sich bloß die Liebe zum Gesetze macht, wählt schlecht, der Vater, der sich die herrschende Meinung zum Gesetze macht, wählt noch schlechter.........Das Herz gehorcht keinem Gesetz außer seinem eigenen, es entkommt der Knechtschaft, nur freiwillig gibt es sich her.

Söhne

Wir haben so viele Söhne verloren,

auf den Feldern der Ehre,

den Anhöhen der Eroberungen.


Ich zähle in meinem Leben

Die Leichen,

die Sterbenden,

die Verlorenen

und schaue meine Söhne an.


Diese weichlichen Kindergesichter,

die allmählich

sich verhärten

für einen Kampf

um Ideale, die niemals meine sind.


Unsere Kinder sterben,

wenn wir die Erwachsenen

ziehen lassen, auf die Felder,

die Anhöhen, einer blinden

Pflicht gehorchend,

einer geglaubten Moral,

schon jetzt, wo sie noch

spielen von einer

Generation zur nächsten.


Trauer umspannt meine

Hand, die meine Söhne

Streichelt: Sie zittert

Bei jedem Abschied.

***

 

Du schaust Dir Deinen Lieblingsfilm an

Wir sollten darauf achten, einer Erfahrung nur so viel Weisheit zu entnehmen, wie in ihr steckt - mehr nicht; damit wir nicht der Katze gleichen, die sich auf eine heiße Herdplatte setzte. Sie setzt sich nie wieder auf eine heiße Herdplatte - und das ist richtig; aber sie setzt sich auch nie wieder auf eine kalte.

Findet Nemo


Wir schauen Deinen Lieblingsfilm.

Deine Therapeutin sagt, bitte nichts

problematisches, nichts über Tod.


Ich hab den Kinderfilm genommen,

den Du so liebst und wo Du herzlich

lachen kannst: Findet Nemo!


Aber als ich ihn sehe, muß ich weinen;

Ein traumatisierter Clownfischvater,

der lernen muß seinen Sohn loszulassen.

Die ganze Geschichte ist für mich

zum Heulen, aber Du lachst, wie früher immer.


Und da ist die Figur Dori,

ein DoktorFisch, der unter Gedächtnisverlust

leidet und den Vater lehrt blind zu vertrauen:

Du grinst mich lausbübisch

an und sagst: Ich bin Dori!


Ich breche in Tränen aus!

***

 

Eune Weide auf unserem Spaziergang

Jeder Mensch ist ein Mond und besitzt eine dunkle Seite, die er niemals jemandem zeigt.

Kalachakra

Wir verwehen in so unendlichen
Zeiträumen zu neuen Anhäufungen,
die wiederum verwehen, Staub zu Staub.

Es besteht kein Grund zu hoffen,
dass wir verschont würden
vom Malmwerk der Äonen.

Unser kleines Glück
hüpft von Pause zu Pause,
bis die Walzen es erfassen.

Warum sträubt Ihr Euch so?
Unsere Wachheit ist nur
Genusssucht nach Freuden,
die wir nicht einmachen können.

Wir überdauern nichts,
doch es überdauert alles.

***

 

Wir üben Kombinatorik

Es ist nicht überflüssig, sich einmal klarzumachen, daß die Intelligenz, über die ein Organismus verfügt, weit übertroffen wird von der Intelligenz, die er - in seinem Bauplan und seinen physiologischen Funktionen - verkörpert. Das gilt grundsätzlich und also auch für uns selbst.

Wir üben


Wir üben das Leben,

jeden Tag, ein wenig mehr.


Wir üben darüber hinweg zukommen,

den Verlust von Fähigkeiten.


Wir üben Koordination, wir üben

prozesshaftes Denken.


Wir üben die weinende Erkenntnis

und die lachende Frustration.


Wir üben ein Stück Normalität.

***

Wenn man aus Deinem Fenster schaut

In Wahrheit wissen wir nur, daß es eine reale, objektive Welt geben muß, die evolutionäre Betrachtung zwingt jedoch zu der Einsicht, daß unser Gehirn mit Sicherheit noch nicht jenes Niveau erreicht hat, auf dem sein Fassungsvermögen ausreicht für die Summe aller Eigenschaften dieser Welt.

Yogacara


Was sehen wir nicht?

Das Wandel nicht Vernichtung bedeutet?

Das alles, was existiert, nicht verloren geht?

Etwas sehen wir nicht!


Ich sah Dich,

wie Du vernichtest wurdest und

gewandelt wieder auftauchtest.

Der Wandel tut Dir weh,

verletzt und behindert leidest

du an deiner Existenz und wünscht

Dir den Tod. Dunkle Gedanken,

die ich nicht teilen kann, aus Liebe.


Ich verweigere mich. Ich will

Dich so, wie Du bist. Denn ohne

Dich sein heißt, etwas nicht zu sehen!


Den Schein der Welt.

 

***

 

Ausflug mit Rollstuhl

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Ein Birnbaum in seinem Garten stand, Und kam die goldene Herbsteszeit Und die Birnen leuchteten weit und breit, Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl, Der von Ribbeck sich beide Taschen voll, Und kam in Pantinen ein Junge daher, So rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?" Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn." So ging es viel Jahre, bis lobesam Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit, Wieder lachten die Birnen weit und breit, Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab." Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, Trugen von Ribbeck sie hinaus, Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht Sangen "Jesus meine Zuversicht", Und die Kinder klagten, das Herze schwer: "He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?" So klagten die Kinder. Das war nicht recht, Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht, Der neue freilich, der knausert und spart, Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt. Aber der alte, vorahnend schon Und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn, Der wusste genau, was damals er tat, Als um eine Birn' ins Grab er bat, Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus Ein Birnbaumsprößling sprosst heraus. Und die Jahre gehen wohl auf und ab, Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, Und in der goldenen Herbsteszeit Leuchtet's wieder weit und breit. Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her, So flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?" Und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn, Kumm man röwer, ich gew di 'ne Birn." So spendet Segen noch immer die Hand Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Spaziergang an der Havel!


Wir rollen los,

Über Stock und Stein,

hinunter zur Havel,


wo im bunten Wind

lustig die Sonnenfahnen

flattern und silbrige Segel


schlagen; Gesang

der Kindheit schwappt

mit Wellen ans

Land, vor deinen Stuhl.


Alles was ich jetzt

Bin und je sein werde,

Vergeht in diesem

Augenblick, als ich in

Weinende Augen sehe,


meiner vergehenden Liebe,

die ich retten will.

 

***

 

Ich schieb und knipse den Weg

Wir haben nur die Wahl, durch Vernunft zu lernen oder durch Katastrophen belehrt zu werden.

Neuer Weg


Wir müssen einen neuen Weg

Gehen, weil Heilung aus-

geschlossen wurde; Zeit, die

Uns bleibt, so intensiv nutzen

Wie es geht.


Ich bin kein Meister im

Zeitnutzen, meine Kunst

Ist die des Treibenlassens.

Ich hoffe und hoffe,

aber ich weiß, es kommt anders.

***

 

Die Bahre am Abschiedszimmer

Abgründe gemeinverständlich zu beschreiben ist vergebene Mühe, und abgründig ist alle WAHRHEIT.

Der Tod nebenan

An diesem Morgen

stirbt ein Muslime nebenan.

Viele Verwandte stehen und sitzen

wehklagend vor der Zimmertür.


„Was ist das?“, Du bekommst Angst.

Da kommt die Schwester rein

und klärt uns auf“ Die Trauern anders als wir!“

Als Sie geht, fängst Du an zu weinen.


Ich weine mit und spüre, daß ich auch

am liebsten Schreien würde, wie die Frauen

da draussen. Was für eine Spannung des Omens!


Als ich rausgehe zur Küche, um Dir Tee

zu machen, sehe ich zwei Frauen wild

klagend auf die Schenkel eines Mannes

klopfen und wie sie unverständliche

lautmalerische Gesänge von sich geben.


Der Mann bricht in Tränen aus.

Ich verstehe, auch wenn ich nicht verstehe:

Totengesänge, die Härte und Beherrschung

vertreiben. Eine Opfergeste der Hingabe.

***

 

Der Garten ums KH.

Nichts kann von außen Wunder in uns wirken, wenn es nicht aus unserem Interesse eine wundersame Antwort erhält.

Innenhof


Sich weit wegdenken

Geht nicht, um uns das Gelände

Ist Spiegel seiner Insassen.


Ich mag nicht reden,

dir Mut zu sprechen,

von Morgen reden,

von einer Zukunft plaudern,

die nur grausam sein wird.


Am ZNS-Lymphom

Zu krepieren ist grausam,

die Wartezeit zu verlängern

eine Chance?


Hass in mir, -Zynismus geboren

Aus Angst und Wut.

***

 

Das erste Bad seit 8 Monaten

Die Hoffnung auf Genuss ist fast so süß, als schon erfüllte Hoffnung.

Das Bad


Das erste Bad seit Monaten,

du freust Dich diebisch,

als wir Dich mit dem Lifter

über den Wannenrand heben.


Sofort entspannst Du im

warmen Wasser und dein

Gesicht bekommt etwas

überirdisch Gütiges im Ausdruck.


Ich wasche dich und Schaukel

Dich im Liftertuch im Wasser

hin und her. Purer Genuss

für jemand, der dem Ertrinken

kurzeitig entkommen ist.


Ab jetzt jeden Samstag,

wenn ich das Wochenende

bei Dir verbringe.

***

 

Heißhunger auf Fastfood

Liebe begnügt sich nicht mit bloßer Gefälligkeit.

Der Burger


„Ich will einen Burger!“

-„Watt?“- „Ja, einen Chilliburger!“

Ich bin erstaunt. „Wo denn, wo gibt

Es den Chilliburger!“


Antjes Erinnerung kehrt wieder.

Sie sagt mir wo, und ich besorg

Ihn ihr. „Ja, das ist der Richtige!“


Sie isst mit Heißhunger,

ja sie stopft richtig und noch

nie war ich beim Essen so glücklich,

wie nach diesem Burger!

Ich wurde vom Zusehen satt, ich

kapierte aufeinmal, wie Jesus

es schaffte,  mit fünf Broten und drei

Fischen 5000 satt zu kriegen!


„Rülps!“

***

Dein gelähmter Arm

Man darf weder Überdruss aufkommen lassen, noch die Begierde abweisen, man darf nicht verweigern, um zu verweigern, sondern um den Wert dessen zu erhöhen, was man gewährt.

Dein Arm


Er verkümmert,

Wie ein Halm in

Sommerhitze.


Schmal und dürr,

als könnte man

ihn knicken.


Ich nehme

Mein altes

Tensgerät

Und jage

Strom pulsierend

Durch die Muskulatur.


Ich hoffe etwas

Aufbauen zu können:

Wasser in der verdörrenden

Hitze des Krebsbrandes.

 

***

 

Knochensacks Geschenk

Der vollbringt das meiste in der großen Welt, der in seiner eigenen Welt sein Bestes gibt.

Der Knochensack


Ein Blogleser,

der sich Knochensack nennt,

schickt Dir einen

Pappguckkasten von

Schloß Schwanstein.


Er habe gehört, dass

„Drachen“ Luftschlösser

bauen und sie es ermutigt,

weiter zu machen.


Es steht auf Deinem

Nachttisch und ist

Lustig anzuschauen,-

eine kleine Welt

ohne Horizont und

dahinter Dein

Kortisongesicht.

***

 

Totenraum auf Station 11

Mit dem Tod habe ich nichts zu schaffen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht.

Abschiedsraum


Hier gehen die Toten ein und aus.

Manchmal verweilen sie drei Tage,

Manchmal nur wenige Stunden hier.


Ich will nicht in diesen Raum,

doch es zieht mich zu ihm hin.

Ich rieche den Geruch des Todes,

den Sie nicht mehr rauskriegen.


Ich sehen die Bahre und die Kerzenhalter,

Aus angelaufenem Silber. Ein kühler

Raum in jeder Hinsicht, schnörkellos,

hauptsächlich lila Wandfarbe. Ich sehe

uns hier und laufe mit Angstschweiß

wieder raus, auf den Flur: Nur Luft!


Dein Schicksal, mein Schicksal,

wir kommen ihm nicht aus,

allein die Zeit, die uns bemessen

ist, lässt uns weinen oder flehen.


Jacques Brel – Voir un ami pleurer

 

***

 

Wir rollen nach draußen

Aus Verbindungen, die nicht bis ins Innerste der Existenz gehen, kann nichts Kluges werden.

Gänge

Wieviele Gänge sind wir schon

Gemeinsam hinunter gegangen!


Nach Havelhöhe geht es zurück

In die Charite; weiter Bestrahlung?


Ich gehe aus meine Selbständigkeit,

um Dich pflegen zu können!


Auf allen Wegen Hindernisse,

Anforderungen, Regeln.


Sie bringen einem in der

Schule allen möglichen Mist bei,


nur nicht wie man hilfreich

zusammen Gänge hinuntergeht.

***

 

Humor den Dingen abgewinnen

Aber kein Kranker kann durch eines unempfindlichen Arztes grausames: es hat nicht viel zu sagen, mehr geängstigt werden, als ein Seelenkranker durch einen gefühllosen Freund.

Alltag

Alles eintönig,

jeden Tag derselbe Ablauf.

Wenn man die Dinge

Auf den Kopf stellt,

ihnen eine neue

Perspektive verleiht,

wartet am Ende dennoch

der Tod.

***

 

Cafe Luise an der Havel

Der Ausdruck "ein Wunder" entlockt mir immer ein inneres Lächeln über den Mangel an Logik; denn in jeder Minute sehen wir Wunder und nichts als solche.

Bismarcks Großmutter


Hier lebte Bismarcks

Großmutter und schaute

Auf Havel und Streuobstwiesen.


Ein Kulturcafe besetzt heute

Das renovierbedürftige Anwesen;

Man spürt noch die alte Junkerherrlichkeit.


Von oben wird Preußen regiert

Und von unten gebügelt, geschmiert.

Wir sitzen auf der roten Bank


Vor dem Palais, trinken Kaffee

Und preisen die Vorzüge des

Neuen Rollstuhls.

***

 

Unser erster Cafe-Besuch

Sieger zu sein, ist wenig, doch groß zu bleiben, alles.

Cafe


Wir sind zum ersten

Mal wieder einen Kaffee

Trinken;


Wir essen Kuchen,

wir essen Eis.

Wir schlemmen und

witzeln über Krümeleien.


Plötzlich tauchst Du ab

In eine unendliche Trauer.

Ein Schauer rast meinem

Rücken runter: Mein Gott,

es wächst wieder!!!!!


Dann Dein Lachen, wie erlöst:

Ich hab eingepullert!

Ach so, Schatz, wenn’s weiter

Nichts ist! Die Windel ist

Saugstark! Wir lachen und scherzen.

***

 

Auf dem Besucherklo

großen Taten der Menschen sind nicht die, welche lärmen. Das Große geschieht so schlicht wie das Rieseln des Wassers, das Fließen der Luft, das Wachsen des Getreides.

Perspektive


Ich nehme mir vor,

seit Du krank geworden

bist, jeden Tag die Welt

mindestens einmal aus

einer ungewöhnlichen

Position anzuschauen.


Heute auf dem Besucherklo

Legte ich mich in der Kabine

Auf den Kachelboden

Und lugte unter die Türen

Und Trennwände durch.


Ich kam mir vor wie der

Verzweifelte Mann in

Jack Arnolds The Incredible Shrinking Man.

Als ich mich aufrichte, krachts in

Meinem Rücken und ich spüre

Die Verzweiflung meines Altwerdens:


Ich werde Dich pflegen, bis mich das

Universum wieder verschluckt.

 

 

Jack Arnold – The Incredible Shrinking Man

***

Die Wand an Deinem Bett

"Wenn eine Jungfrau verlobt ist und ein Mann trifft sie innerhalb der Stadt und wohnt ihr bei, so sollt ihr sie alle beide zum Stadttor hinausführen und sollt sie beide steinigen, dass sie sterben, die Jungfrau, weil sie nicht geschrien hat, obwohl sie doch in der Stadt war, den Mann, weil er seines Nächsten Braut geschändet hat; ..." (5. Mose 22,23-24)

Bilder


Die Bilder von Onyx

Und Lea nah an Deinem

Bett, greifbar, begreifbar.


Und ich, vor Deinem

Bett, unbegreiflich überfordert,

von dem, was auf mich

zukommt. Mit dem Tod


rechnen kann jeder; dieser

überhebliche Gestus ist

Heinz Ketch Up.


Aber mit dem zurechtkommen,

Was alltäglich auf uns wartet,

ist eine Anstrengung, ist

Problembewusstsein.


Mich kotzen zur Zeit Buddhisten an,

obwohl ich selber einer bin.

Ihr Gefasel von Alter, Krankheit, Tod,

von Haß, Gier und Verblendung.


Was jetzt ist, zählt und jetzt zählt

Dein Leben zu erhalten, zu pflegen,

zu schützen, über allen Schmerz

hinweg: Ich habe Angst!

***

 

Im Bad abgestellt

Wir haben gelernt, wie die Vögel zu fliegen, wie die Fische zu schwimmen; doch wir haben die einfache Kunst verlernt, wie Brüder zu leben.

Das vollgestellte Bad


Heute ist wieder Badetag.

Aber das Bad wir oft

Zum Abstellraum degradiert,

aus Platzmangel.


Wir manövrieren mit dem

Lifter vorsichtig. Keine Chance.

Also räumen wir das Bad leer;

Klostühle, Badestühle, Rollständer,

alles raus.


Als wir fertig sind, sagt der

Pfleger: Wir müssen anbauen.

Und ich sage: Nein, Ihr müsst

Umdenken.

***

 

Was alles auf Deiner Fensterbank liegt

Die Entscheidung mag das Ergebnis der Überlegung sein, aber sie beendet gleichzeitig die Überlegung, sie schließt die Überlegung aus.

Auf der Fensterbank

Es sammeln sich die Mitbringsel

Deiner Besucher

Auf der Fensterbank.

Blumen und Bonbons

Reihen sich ein

Zwischen Urinalen

Und Einlagen.

Amüsant zähle

Ich die Fettnäpfchen

Deines und Meines Sinnes.

***

 

Der Salzkristall in Deinem Zimmer

Die Ontologie des Materialismus beruhte auf der Illusion, daß man die Art der Existenz, das unmittelbar Faktische der uns umgebenden Welt, auf die Verhältnisse im atomaren Bereich extrapolieren könne.

Zeitreisen

Steh nicht auf,

Du kannst Dich

nicht mehr

Verspäten.


Unter dem Dampfdruck

des Weltallkessels

bricht alles zusammen;


nur Wolken steigen auf.

Werde zur Wolke

und schwebe auf

zum Himmel


und stimme ein Lied

an, wie Spatzen

es pfeifen.

Steh nicht auf,

es gibt nichts zu tun.


Schon morgen

liegt ein anderer

auf deinem Platz

und wartet auf ein Zeichen.


***

 

Der Karneval der Tiere im KH

Viele Leute scheinen von der fixen Idee besessen zu sein, daß nicht nur im Zirkus, sondern auch in der Musik, Malerei und Literatur nur noch die Clowns eine Chance haben.

Sonntagskonzert


Die Klinik

Hat ein Konzert organisiert:

Es gibt Karneval der Tiere.


Zwei hervorragende

Pianisten spielen auf dem

Alten Bechstein vierhändig.


Dazu liest der Mann

Loriots Libretto zu Saint-Saëns

Fantasien.


Am Ende des Konzerts sagst

Du: Danke, dass Du mich

Mitgenommen hast.


Ich gucke blöd und gebe

Zurück: Ich habe Dir zu Danken,

ich bin nur zu Besuch.


Und erschreckend klar wird mir ,

dass ich dafür sorgen muß,

dass Du viel Theater und Musik

in Natura erleben kannst;


Ich war versackt, in sorgender

Pflege und vergaß Deinen

„schönen Geist“.

***

 

Lichter vor Zimmern der Toten

Liebe, lüge und sei hübsch! Denn morgen müssen wir sterben. Der Erfinder der Notlüge liebte den Frieden mehr als die Wahrheit.

Nach(t)tisch

Wenn jemand stirbt,

stellen sie kleine Tische

neben der Zimmertür auf;


Drapiert mit violetter

Decke, Windlicht, Muscheln,

Steine, Trockenblumen.


Heute, an Deinem Abschiedstag

Aus dieser Klinik,

Stehe ich mitten im Flur,

Noch halb verschlafen

Und schaue ihn hinunter.

In der Nacht haben sie drei

Tische hingestellt:

Eine Totenallee;

Ich bin froh, wenn wir bald

von hier weg sind.


Ich feiere lieber Unfertiges,

als den Abspann, selbst wenn

Du am Ende bist.

http://www.youtube.com/watch?v=tPmMQfRmJH8

***

 

Zurück in die Charite

Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Phantasie.

Charite

Zurück nach

Charite Mitte.

Im Krankenwagen

Durch den Tiergarten,

an den T34 vorbei.

Dies wird unser „Kalter Krieg“,

wir Mauerkinder!


Was wir noch  nicht wissen,

sie werden Dich scannen

und schnell entlassen.

Sie werden Dich nicht

Weiterbehandeln.


Wir kennen Ihre Optionen nicht.

12 Monate, 24,36?


Sie lassen uns zurück

Im Glauben, Du würdest

In den  kommenden drei Monaten noch

Leben, wenn die nächste

Untersuchung

Ansteht.

***

 

Musiktherapie

Man soll alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.

Musiktherapie

Du liebst es,

Wenn der Therapeut

Mit seiner Leier kommt.


Du hast selber immer

Gerne gesungen.

Nun ist Deine Stimme

Schwach und leise.


Während er spielt,

Leuchten Deine Lippen,

wie Knospen

im Morgentau.

***

 

Willkommen in der Angst

Der Zustand des größten Seelenschmerzes ist zugleich der Zustand der größten körperlichen Krankheit.

Ohne Klarheit

Man kann blind
und trüb leben.
Man kann nicht
jeden Tage
weinen um
verlorenes Glück.

Neues Glück
braucht Platz
im Sumpf.

http://www.youtube.com/watch?v=VS4fyxuFZvA

***

Die letzten Blüten auf meinem Balkon

Am schnellsten beendet man den Krieg, in dem man ihn verliert.

Nichts

Beim Nichts sollte man es belassen,
Nichts wird, Nichts vergeht,
Nichts bleibt.
Nichts ist immer wieder
nicht enttäuschend.

http://www.youtube.com/watch?v=ETAacNqtE00

***

Zuhause sein

It's not bragging if you can back it up.

Zerschossen

Pflegestufe?

Lachhaft.

Du warst die ganze

Zeit im Krankenhaus!


Die Krankenkassen

Kriegen es nicht ihn,

schwerstkranke

Menschen, bevor sie nach

Hause kommen,

Zu begutachten.


Alles zieht sich hin,

seit Monaten.

Und jetzt müssen

Wir wieder warten,

bis die Gutachter kommen.


Alle machen uns verrückt,

dass Du bloß ne hohe

Pflegestufe kriegst.

Als ob Du ein Simulant seist,

weidwund geschossen,

von Chemikalien und Strahlen,

zerfressen vom Lymphom.


Als die Gutachterin

Kommt, durchaus

Eine sachliche Frau,

krieg ich den ersten

dicken Hals:


Einen Treppensteiger

Wirst du wahrscheinlich

Nicht kriegen, weil wir

Dich mobilisieren sollen.

Der Umbau des Badezimmers

Wird nicht finanziert, weil Deine

Prognose zu schlecht ist.


Ja wie denn nun,

in welche Zwickmühle

wollen sie uns stecken?


Du kauerst ängstlich

Zitternd im Bett,

wie meine Erinnerungen

An die zerschossen

Kadaver von Paschendale.


http://www.youtube.com/watch?v=9gtJkeXAMt0

http://www.youtube.com/watch?v=TGVmOS9yM6M&feature=related

***

 

Spare

Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.

Mönche und Bowling

Sich in die Tasche zu lügen,

ist man gewöhnt,

nur manchmal reicht die

Größe der Tasche nicht aus.


Und der gute Wille, brav

die Regeln zu befolgen,

ist unser tägliches Bemühen;

Aber wir beugen uns zu gerne

Aus Gewohnheit.


Als wir auf der Bowlingbahn

Ein paar Würfe machen,

schaust Du uns begeistert zu.

Jonathan scherz viel mit Dir.

Tut so, als verwechsele er Deinen

Kopf mit einer Kugel.


Trocken und derb sind unsere

Scherze. Feinfühligkeit

Nach diesem Exzess des

Sterbens ist etwa so sinnig

Wie Nachtlampen am Tage.


Unheilsam und Heilsam;

Buddha hatte keine Lust

Die Welt zu erklären,

er wollte nur Aussteigen:


Aber alles ohne Erklärung

Macht mich skeptisch: Gutter!

***

 

Der zweite Tag zuhause

Balance üben heißt keinem notwendigen Kampf ausweichen, keinen überflüssigen provozieren.

Zu Hause

Der erste Tag,

nur Stress:


Sie haben Dich

Einfach so entlassen,

ohne vernünftige

Pflegeüberleitung.


Jeder sagte,

wir helfen ihnen

ein Nest zu bauen.

Pustekuchen.

Außer am Bett,

das sie am Tag vorher

brachten, fehlt es an allem.


Die Leute von Elysion

Greifen uns unter die Arme.

Wenigstens ist die

Ambulante Palliativpflege

Eine echte Hilfe.

Sie leihen uns dies und

Das und bringen uns

Über die ersten Tage.

***

 

Knochensacks Geschenk

Kommunikation klappt nicht, wenn man sich weigert die Sprache der Anderen zu verstehen.

***

Garuda und das InternetPack

Ich bin in einige Foren rein,

um Deine Geschichte zu erzählen

und Deinen Blog zu verlinken.

In einem, welches Buddhaland

Heißt, lernte ich einige Nicks kennen.

Ich schaute dem Treiben zu,

wie sie Dharmahalter verleumden,

die Lehre verdrehen. Alles anonym.

Einige sprachen mich persönlich

An, und ich skypte mit Ihnen,

Im Vertrauen darauf, daß wenigstens

Sie vernünftig seien.

Allmählich entpuppten sich die Macken

Soweit, daß man mir Viren und Trojaner

Schickte. Was für ein Dreckspack ungläubiger

Klugscheisser, die sich in der Anonymität der

Internetwelt ihre Profilneurosen mit

Wikiwissen aufpolieren.

Traurig, diese blutleeren Tastaturhengste und –stuten,

geifernd nach einem Ersatz

an Leben, daß sie nicht gelebt haben und niemals

Leben werden. Ein Heer von Süchtigen,

die Buddhisten spielen wollen.

 

Du im Rollstuhl

„Nicht in den Lüften, nicht in Meeresmitte, nicht in den Bergesklüften sich versteckend, nicht findet sich ein Ort auf dieser Erde, wo weilend einen nicht der Tod bezwänge.“

Wahn

Schmerzen sind keine Einbildung;
kennst Du
nicht die Einbildung der Schmerzfreiheit?

Da lachen die Tauben
und weinen die Krähen,
wenn die Habichte
keine Nachwuchs großziehen!

Dieses Jahr
bin ich frei,
kein Schmerz, kein Wohl

http://www.youtube.com/watch?v=1HK0qCnpJqA

***

 

Im Film LELE

Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.

Schülerin

Ich übte, als eine Freundin

Dich vorbeibrachte.

Es entsponn sich eine geahnte

Geschichte, an der ich weiterübe.

***

 

Du im Film LELE

Wenn man die Natur wahrhaft liebt, so findet man es überall schön.

Wüste

In meinen einsamsten Stunden,

ausgeliefert dem Sand und der Sonne,

der Hitze und dem Frost,

ohne ausreichend Wasser,

habe ich meine eigene Pisse getrunken

und auf Entsatz ausgeharrt. Sieben

ganze Tage und diese Tage waren

tiefe Tage, weil alles auf

einmal  klar und einzigartig,

so grausam und hoffnungslos es auch war;

der azurblaue Horizont prallte auf den Ocker

der unendlich weiten Dünung;

Es ist leicht zu sterben, wenn man

Nichts zurückläßt im Sandmeer.

***

(LEY LEY )

***

 

Kennst Du mich nicht mehr? Ich bin der, der Du schon immer bist! Gedenke!

Halloween

Die Kinder sind aufgedreht.

Till hat sich

Ein Kostüm gekauft.


Lea schminkt sich.

Um die Häuser ziehen,

Leute erschrecken,

Süssigkeiten erpressen,

und du amüsierst Dich.


Schaust aus dem Bett

Unserem Treiben zu.

Und sie wollen Dich

Schocken und Du

Spielst brav mit.


Nur ich kann nicht

Mitlachen, die Bilder

Der Therapie schlagen

An meiner Gemütstür; es ist

Kalt zu Allerseelen

In meiner Gehirnstube.

http://www.youtube.com/watch?v=dL2aTTw-7ng&feature=related

***

 

Halooweenpartie

Was erschreckst Du Dich? Ich bin doch Du!

 

Das Grauen


Ich habe das Grauen gesehen,

in Afrika, in Südamerika, im Pazifik,

in Asien, an der Spitze meiner Schuhkappen,

beim Absprung über Berge, Wipfel, Granattrichtern.

Das Grauen ist ein abgemagertes Kinderlächeln

mit schneeweissen Zähnen. Es läuft verschämt

dir nach fragt mal nach Kaugummis,

mal nach Zigs und manchmal will

es nur ein Stück mitgenommen werden,

vielleicht hinter die nächste Demarkationslinie?

Es bettelt und fleht, es zittert vor

Kälte, Angst, Hunger; es wird geprügelt,

gedemütigt oder kurzerhand erdrosselt.

Soviele Tränen, soviele Wunden auf staubigem

Weg; aber es lächelt auch  immer wieder mit großen

fragenden Blicken. Augen, die soviel

gesehen haben und immer noch freundlich hoffen.

Das Grauen sind  Erinnerungen,

Erinnerungen an zerborstende Schädel, verdrehte

Gelenke, zermatschte Gesichter. Erinnerungen

an Explosionen, Schußwechsel und erröcheltes Blut:

Rot, Schwarz, Weiß,  die Farben meiner Seelenbilder.

Manchmal rieche und schmecke ich Benzin und dann

verbrennende Reifen und Fleisch;  der Gestank von tausend

Jahren Verwesung steigt in mir hoch und dann möchte ich

die letzte, die allerletzte Kugel abfeuern und für  immer aus.

Das wahre Grauen hört niemals auf, solange ich lebe.

http://www.youtube.com/watch?v=ZSDwxaadSJ0

http://www.youtube.com/watch?v=qoIUN0T4Rzw

***

 

Parvis zu Besuch

Wer es schafft, in seinem Leben der Hauptdarsteller zu sein, bekommt vielleicht auch eine zweite Chance.

Parvis war hier


Parvis war hier, er

brachte seine Anteilnahme

und seine Betroffenheit mit.

Er setzte alles in Bewegung,

um einen  Arzt für Dich zu finden.

Er wird mit Dir einen  neuen Film

machen, wenn er aus Indien zurück ist.

Parvis will, daß Du lebst.

Er wird seine Eltern im Iran besuchen.

Parvis war hier!

Laß uns  tanzen.

http://www.youtube.com/watch?v=VGQqkvPPWkQ

http://www.youtube.com/watch?v=-P9m-3mrflo&feature=related

***

 

Vorführung des scalamobils

Bewegung ist zuerst immer ein Ausdruck unseres Inneren.

Wir Kämpfen


Den Treppensteiger haben wir erobert,

bei Haushaltshilfe hat man uns zurückgeschlagen,

weil Du unheilbar und für unabsehbare Zeit krank bist.

Du hast eine neunjährige Tochter, aber das schert  die

Schreibtischtäter nicht. Ich habe unsere Rechtsanwältin beauftragt.

Den Toilettenstuhl haben wir bekommen,

nach 70 Tagen Wartezeit, auch den Beistelltisch,

nach 54 Tagen. Jetzt kämpfen wir für den Umbau des Bades,

für einen Gehilfetrainer und eine Reha!

Die Dauereinlagen fürs Bett fehlen immer noch,

aber wir bekommen Windeln!

Dein Vater kämpft für Dich, wie ein Löwe. Er sieht endlich,

daß wir es ehrlich meinen und Dich retten wollen.

Wir haben eine gute Homecare-Ärztin,

die uns bei allem unterstützt, manchmal

kopfschüttelnd, weil sie diese Bürokratie

auch nicht mehr versteht. Wir haben eine

gute Palliativstation, die flexibel  ist und

alles fördert, was irgend geht, und wir haben

eine exzellente Rechtsanwältin. Was uns fehlt

ist Glück: das Unglück war ja schon, oder?

Wir kämpfen weiter.

http://www.youtube.com/watch?v=ttlp1wgM7go&feature=related

http://www.youtube.com/watch?v=bSZIq1Fr–8

http://www.youtube.com/watch?v=DKbPUzhWeeI&feature=related

***

 

Nach der Geburtstagsfeier

Es gibt Leute, die wollen lieber einen Stehplatz in der ersten Klasse als einen Sitzplatz in der dritten.

 

***

 

Auf der Geburtstagsfeier

Wir haben eine innere Richtschnur, welche weit untrüglicher ist als alle Bücher und die uns in der Not niemals verlässt.Wir können Menschen sein, ohne gelehrt zu sein.

***

 

Dein Haar wächst wieder

Alle Freiheiten müssen errungen werden. Aber wer glaubt, alle Errungenschaften blieben unangetastet und bedürfen nicht des Schutzes und des immer wiederkehrenden Kampfes, hat keine Geschichtskenntnisse.

***

 

Ein Gehtrainer wird vorgeführt

Vitae summa brevis spem nos vetat inchoare longam. Die Kürze des Lebens verbietet uns, allzulange zu hoffen.

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Schneefest im Rollstuhl

Noch immer das hölzern pedantische Volk, Noch immer ein rechter Winkel In jeder Bewegung, und im Gesicht Der eingefrorene Dünkel.

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Die Welt der Anmache

Ein neues Lied, ein besseres Lied, O Freunde, will ich euch dichten! Wir wollen hier auf Erden schon Das Himmelreich errichten. Wir wollen auf Erden glücklich sein, Und wollen nicht mehr darben; Verschlemmen soll nicht der faule Bauch Was fleißige Hände erwarben.

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Stehen und Sprechen üben mit David

Das Peinlichste am körperlichen Schmerz ist das Unkörperliche, nämlich unsere Ungeduld und unsere Täuschung, daß er immer wäre.

 

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.Der Stille Kampf

Alles, was zählt, ist überstehen!

© 2010 W.Friedrich/MentalWorks

 

Gewidmet den Patienten, Pflegern und Ärzten der Neurologischen Intensivstation 106i und den Therapeuten der Onkologie und Strahlenmedizin

45 Antworten to “Hochmalignes Non-Hodgkin Lymphom des Gehirns”

  1. Als Hiob alles verloren hatte, alles, da kamen einige
    Freunde zu ihm, um ihn zu trösten, einer erzählte als Trost von einer Vision, die er gehabt hatte und sagte:
    und als der Geist an mir vorüber ging, da standen mir die Haare zu Berge an meinem Leibe.
    Thomas

    • mtxforyou said

      Der alte Mann und die Seesterne

      Im sonnigen Kalifornien lebte ein alter, weiser Mann, welcher jeden Morgen zum Sonnenaufgang am Strand spazieren ging. Man sah, wie er sich fortwährend hinunter beugte, etwas aufhob und ins zurückweichende Meer warf.

      Dieses beobachtete eines Tages ein junger Mann aus weiter Ferne, der auch schon früh auf den Beinen war. Als dieser sich noch mehr näherte, sah er, dass der alte Mann Seesterne aufhob, die an den Strand gespült worden waren, und – einen nach dem anderen – warf er sie ins Meer zurück.

      Der junge Mann war verblüfft. Er näherte sich dem alten Mann und sagte: “Guten Morgen, alter Mann. Ich habe mich gefragt, was sie da tun.“

      „Ich werfe diese Seesterne zurück ins Meer. Sehen sie, es wird gerade Ebbe und all diese Seesterne sind ans Ufer gespült worden. Wenn ich sie nicht ins Meer zurück werfe, wird die heiße Sonne sie austrocknen und sie werden sterben.“„Ich verstehe“, erwiderte der junge Mann. „Aber es muss an diesem Strand tausende von Seesternen geben. Sie können unmöglich alle zurück ins Meer werfen. Es gibt einfach zu viele. Sehen sie nicht, dass sie unmöglich etwas ändern können?“

      Der alte Mann lächelte, beugte sich wieder hinunter und hob einen weiteren Seestern auf. Auch diesen warf er zurück ins Meer. Dann sah er den jungen Mann an und erwiderte: “Für diesen einen macht es einen Unterschied.“

      (Quelle: Jack Canfield u. Mark V. Hansen)

  2. Helmut Ulrich said

    nur noch palliativ:

    Johannes Bobrowski

    Wiesenfluß

    Kalt ist der Sommer, Licht
    fährt mit Segeln, der Fisch
    mit den Flossen
    steht auf der Schattenspur.

    Ich bin gewachsen zu hören
    die Quelle im Kalmusherzen,
    weiß und rötlich, die Dehnung,
    ich komm, und der Wasserläufer
    unterbricht sich, der Fisch
    stürzt mit dem eigenen Glanz
    über die Tiefe.

    Hör, hier bin ich, ich geh
    umher
    in der Kälte des Sommers.

    • mtxforyou said

      Strahlengewitter 2010 (W.Friedrich)

      Die Salven des Lichts
      Durchschlagen Deinen Schädel ungesehen.
      In diesem kühlen Glass
      Wassers ist nichts, was Schatten spendet.

      Die Metaphern des Sees
      Bleichen aus, wie die Fotos aus unseren
      Besten Tagen. Vergilbtes Gelächter
      Auf sich verlierenden Spuren:
      Muster der Erinnerung treiben fort,
      Wie die Segel des Sundes: Schlechte
      Zeiten für Lyrik; Ausflüchte warmen
      Windes küssen ungefragt
      Deine Wangen.

      Hier ist nichts mehr tief,
      Nichts ist mehr seicht.
      In der Hitze der Nacht
      Sehe ich dich in meinen
      Schlaflosen Träumen vergehen.

      Blaues Lilienherz, ich reiße Dich raus!
      Gewitter, regenlos,
      von Schlaf zur Schlaflosigkeit,
      erhellen Finsternis: Wo
      bist Du, Liebe, die alles heilte?
      Freigestellte Märchen!

      • Helmu Ulrich said

        Lieber Wolfgang –

        habe Dein Gedicht-Echo auf das Bobrowski-Gedicht ‚Wiesenfluß‘ gelesen u.
        verstehe, daß lyrische Metaphorik, die nicht konkret auf Antjes Zustand
        sich bezieht, Dir in Deiner Verzweiflung fast wie Hohn vorkommen muß.

        Es war so, daß ich beim Lesen einer Lyrik-Anthologie auf jenes Gedicht
        stieß u. bei den Zeilen ‚ich geh/umher/in der Kälte des Sommers‘ spontan
        an Dich dachte; momentlang drängte sich mir die Vorstellung auf, daß für
        Dich dieser Sommer zu einer seelisch ‚kalten‘, eisigen Jahreszeit
        geworden ist. Darauf schickte ich Dir das Gedicht, nicht um Antjes
        Schicksal zu kommentieren, sondern um, indirekt, mein Mitgefühl für Dich
        u. Dein Leiden an diesem Schicksal, das ja auch Deins ist, auszudrücken.

        Zur Akzeptanz des Gedichts, auf dessen ‚Hör, hier bin ich‘ niemand
        antwortet, das mithin wie viele moderne Gedichte eines der totalen
        Einsamkeit ist (einer inneren Einsamkeit, der wir meiner Ansicht nach
        letztlich nicht zu entgehen vermögen), hier ein Kommentar (von Edgar
        Hederer, aus: ‚Das deutsche Gedicht‘): „Der Dichter“ (gemeint ist der
        heutige Dichter) „ist wie in einem toten Winkel: das Dasein legt sich in
        immer ungeheuerlicherem Geschehen selbst aus. Wie soll er es aufleisten,
        wenn ihm das Übergewicht in seiner Seele fehlt? Die Nacht wird nicht
        heller, indem er das Licht des Wortes auslöscht und die Leier zerbricht.
        Der Abgrund wird nicht entsiegelt, indem er in ihn hineingleitet; das
        Zerstückte wird nicht ganz, indem er sich selbst zerstückt. Nur Gebilde,
        nur Gesang steht gegen das Ungeheuerliche, nur lichtes Wort besiegt das
        Dunkel.“

        Soviel zum Bankrott jeglicher Lyrik in heutiger Zeit. Wenn dennoch Verse
        entstehen, wie jene des schwer kriegsverletzten, 1965 im Alter von 48
        Jahren an einem Blinddarmdurchbruch krepierten Johannes Bobrowski, so
        ist dieser Bankrott, dieses Verurteiltsein zum Schweigen angesichts
        eines ungeheuerlich gewordenen Daseins stets mitzudenken.

        Liebe Grüße, u. mit trotzigstem Dennoch weiter auf Antjes
        Wiederherstellung hoffend,
        Dein Helmut

      • mtxforyou said

        Lieber Helmut,
        ich finde das Gedicht von Bobrowski nicht als Hohn.
        Es trifft die Lage doch recht genau.

        Nun stamme ich aber aus einer anderen Schule;
        ich bin ein Kind der brechtschen Schule aber auch des
        Dadaismus.

        Ich bin beglückt über dieses wnderschöne Gedicht, das sich mit dem Kalmusherz
        auskennt.
        Aber was ist das Kalmusherz? Es ist eine alte Metapher. die ihren Ursprung
        in der indschen und arabischen Märchenwelt hat.
        Der Kalmus ist eine Sumpfpflanze. Kalmus stammt von dem Wort kalmaos (gr) ab und bedeutet
        Rohr, aber auch Pfeil. Anatomisch ist also das Kalmusherz hohl…..es ist eben eine Simse.
        Die Wurzel (das eigentliche Herz) aber ist so aromatisch, daß sie zur Süsigkeitenherstellung und als Medizin verwendet wurde, daher auch die Worstammableitung Karamellle.

        In 1000 und eine Nacht rettet sich Sndbad vor Verfolgern, indem er ein Kalmusrohr schneidet und als Schnorchel unter Wasser gebraucht.
        Buddha hat Kalmus genommen als er vergiftet wurde, trank Wasser und ward gesund!
        Nostradamus mischte als Pestarzt aus Kalmus eine Medizin mit nicht unbeachtlichem Erfolg.
        Kalmus ist eine Metapher für Heilung und Rettung.

        Bobrowskis Gedicht ist eine Art „Wassermusik“, die wenn man die Metaphern räumlich auflöst, von einem Taucher gesungen wird. Denn nur unter Wasser
        hat man diese Sicht auf diese Dinge und so das Herz des Kalmus.

        Ich antwortete in meinem Gedicht mit Brechts berühmten Gedicht „schlechte Zeiten für Lyik“, in dem er gegen Hitler lyrisch schreibt, obwohl er anderes schreiben müßte.
        Auch er bedient sich in diesem Sommergedicht der Wassermetaphorik. Ich glaube Bobrowskis Gedicht ist eine metaphorische Anlehnung daran.
        So wie sich Brecht in seinem Gedicht durch sein Gedicht widerspricht, widerspreche ich mich auch. Wir Lyriker leiden lyrisch, denn es ist der ureigenlichste Ausdruck unserer
        Gefühlswelt.
        Meine Gefühlswelt bricht die Metaphorik auf; bei mir ist selbst die Kanüle zur Metapher geworden. Das versuche ich mit meinen Gedicht auszudrücken. Es ist also keine Ablehnung, sondern eine Annahme! Nur meine Welt fühlt sich gerade nicht kalt an, sondern trocken, heiß und leer….ich marschiere gerade durch meine Wüste „Wehe dem, der Wüsten in sich birgt“!

        Es ist gut zu wissen, daß es so einen trotzigen Dickkopf gibt, wie Dich, der, wenn ich nicht mehr hoffen kann, für mich weiter hofft.
        Sei umarmt
        Wolfgang

  3. Tatjana Beckmann said

    Lieber Wolfgang,

    habe gerade Deinen Blog gelesen und mitgeweint, obwohl wir uns kaum kennen. Ich wünsche Euch gute Ärzte, liebe Menschen um Euch, mit viel Unterstützung und Wärme, und den Rest Glück zum Weiterleben Deiner Liebsten.

    Ganz liebe Grüße

    Tatjana

  4. Dirk Binert said

    Lieber Wolfgang

    dein Blog trifft mich unerwartet. Was soll man angesichts eines solchen
    Schicksalsschlages sagen, ohne dabei leere Floskeln zu gebrauchen ?

    Ich fühle mit und es treibt mir die Tränen in die Augen, wenn es irgendetwas
    gäbe das ich tun könnte um wirklich zu helfen, ich würde es tun. Ich fühle
    aber auch Machtlosigkeit in einer solchen Situation, in der man dem medizinischen
    Fachwissen ( oder auch Unwissen ) ausgeliefert ist. Du wirst schon alles
    im richtigen Ermessen getan haben was dir möglich war um Antje zu helfen,
    denn du liebst sie und das spürt man in deinen Worten sehr stark.

    Die Hoffnung auf Heilung nicht aufgeben, das ist das einzige woran man sich
    jetzt halten kann, es braucht viel Kraft und Glauben, auch wenn unglaublich
    viel Schmerz einem beinahe die Sinne raubt.
    Liebe ist stärker als der Tod, auch eine Floskel, aber ich glaube im tiefsten
    Inneren sind wir alle dadurch verbunden.

    Auch wenn du vielleicht manchmal glaubst du wärest allein dieser schweren Situation
    ausgeliefert – du bist es nicht.

    Ich hoffe ich kann dir mit meinen Worten Kraft und Hoffnung mit auf den Weg
    geben und wenn du möchtest können wir uns gerne bald wiedersehen.

    Dirk

  5. Roberto said

    Ich kontte meine Tränen nicht zurückhalten..
    Ich wünsche dir Kraft mit dieser Situation weise umzugehen. Du bist nicht allein!

  6. Shanti said

    Hi Wolfgang,

    es ist sehr gut, dass Du versuchst Deine Gefuehle ueber den Blog zu verarbeiten, mit diesem Blog hilfst Du auch anderen Angehoerigen, die vielleicht durch die gleichen „Probleme“ gehen. Es ist nicht leicht einen lieben Menschen gehen lassen zu muessen, ich muss die Erfahrung derzeit leider auch selbst machen. Geniesse die Zeit noch mit ihr soweit wie Du es kannst.

  7. Helmut Ulrich said

    Lieber Wolfgang –

    die auf dem Foto in Deinem Blog beim Mensch ärgere dich nicht-
    Spielen nach dem Würfel greifende Antje wirkt wunderbar „normal“
    konzentriert – hoffnungsvoll!
    Daß „es“ sie zwingt, den Würfel in den Mund zu stecken, ist von der
    Krankheit her ebenso normal; wenn sie reflektiert, daß „es“ sie zwingt,
    handelt es sich in meinen Augen um eine verständliche, gesunde Reaktion…

    Als Elke „durch den Wind“ war, hat sie übrigens nach Blumen gegriffen,
    um sie zu essen; sie hat auf die Gabel gebissen, wenn ich ihr einen
    Happen zu essen reichte, weil sie dachte, ich wolle sie erstechen etc. etc.
    Das alles verging und das souveräne „vernünftige“ Ich kehrte zurück

    2001 habe ich bzw. hat ein Es in mir spontan das folgende
    (unveröffentlichte)
    Gedicht geschrieben; mein Grundvertrauen war nach meiner Krebsgeschichte
    dermaßen erschüttert, daß mein Verstand nicht damit rechnete, das
    nächste Jahr zu überleben (ich hatte von Gestorbenen infolge von Rezidiven
    erfahren); das Gedicht lehrte mich Fatalismus – ein „Ich“ kommt,
    individualisiert
    sich in mir, und irgendwann verläßt es mich wieder, es sagt mir nicht,
    wann und wie.

    Ein Ich

    Ein Ich liegt in dem grauen Meer,
    hat keinen Ort, hat keinen Sinn.
    Es ist spezifisch auch nicht schwer.
    Das war schon so von Anbeginn.

    Nie hat jemand es betreten.
    Wie auch, bei den steilen Wänden.
    Keinen hat es je gebeten,
    diesen Zustand zu beenden.

    Ein Vogel landet manchmal hier.
    Auch Wale schmiegen sich ihm an
    und schieben es durch ihr Revier.
    Das ist der ganze Ozean

    der Möglichkeiten. Dorthin strebt
    es längst zurück, da kam es her.
    Verwandelt in Idee, die lebt,
    hieß es Ich selbst und war ein Wer

    aus Schlaf und Worten bis ans Grab,
    ein Jemand, der im Traum es rief
    vergebens. Und ließ davon ab.
    Dann schwamm es fort, da der entschlief.

    Liebe Grüße, Helmut

  8. Alf said

    Es ist egal, was ihr in der Vergangenheit gemacht habt. Sie ist vorbei.
    Es ist egal, was ihr in der Zukunft machen wollt. Sie ist noch nicht.
    Alles was zählt ist dieser Moment. Er ist alles was ihr habt.

    Ich werde das Bild deine r Frau mit in meine tägliche Praxis aufnehmen.

    Alles Liebe,
    Alf

  9. Dieter Kissel said

    Ostermorgen
    eine herberge haben
    eine heimat für die
    rastlose seele
    und ihr
    herzeleid.

  10. Jenny said

    Lieber Wolfgang,

    Alf hat da was sehr wahres geschrieben. Als meine Mutter an Krebs erkrankt ist, konnten die Aerzte auch nichts genaueres sagen, einfach weil es soviele verschiedene Moeglichkeiten gibt des Verlaufes von Krebs. Manchmal erscheinen Wunder, wenn man nicht mehr daran glaubt, wenn man alles so annehmen kann wie es derzeit ist, dann nimmt man erstmal Druck von sich selbst und den Erwartungen, die man hat, so sagt es meine Mutti immer.

    Alles Liebe,

    Jenny

  11. Zorita Campeanu said

    Ich begleite euch mit meiner ganzen Herzenskraft.

    Liebe Grüße, Zorita

  12. Brigitte said

    Der Tod hat nicht das letzte Wort ! ! !
    Ein jeder Mensch in dieser Welt,
    muß mit dem Leid, Tod und Krankheit
    eines geliebten Menschen fertigwerden.
    Dazu wünsche ich Dir die größte Kraft
    und weiteren Lebensmut, denn es besteht
    die Gefahr, unweigerlich mit in
    einen Abgrund gerissen zu werden.

    Umarmung

  13. paracelsa said

    Habt keine Angst, Ihr Lieben!

    Es gibt nichts zu fürchten und nichts zu hoffen.

  14. maili said

    Lieber Wolfgang !
    Ich habe in Abständen von zwei Tagen Deine Texte über Antje und Dich gelesen; mich haben unterschiedliche Gefühle bewegt: Ich habe über Deinen Mut gestaunt, so offen über Dich und Antje und Deine und Eure Gefühle zu schreiben…es scheint im Augenblick der einzige Weg zu sein. Es hat mich auch getröstet für Antje zu wissen, dass sie einen Menschen wie Dich an ihrer Seite hat – der nichts verbirgt und nicht davonläuft und alles teilt. Einen Menschen in solcher Not zu begleiten ist unvorstellbar schwer.
    Es ist gut, dass Du Bilder von Antje hinzugefügt hast, so kann ich sie mir vorstellen, wenn ich sie in die Meditation einbeziehe. Auch Deine schemenhaften Bilder nehme ich auf, weil auch Du alle Kraft der Welt brauchst. Vielleicht kann Euch beiden die Tara-Praxis helfen? Es wird nicht einfach sein, den Alltag mit den Kindern und der Arbeit zu bewältigen und bei Antje zu sein und auch noch eine spirituelle Praxis zu verfolgen. Andererseits ist dies die einzige Praxis, die ich mir vorstellen kann: Da sein: Mit Dir, mit Antje, mit den Kindern, mit der Familie, mit den Freunden. SEIN. Ich grüße Dich von Herzen. maili

  15. Zorita Campeanu said

    Es gibt etwas in uns, dass „unbefleckt“ immer da ist, durch Leid nicht beschattet durch Glück nicht glanzvoller. Ein Quell aus dem wir schöpfen um inmitten unseres eigenen Leid und das unserer Umgebung nicht zu verzweifeln, nicht zu ersticken, nicht unter zu gehen.
    Liebe Grüße Zoriţa

  16. Helmut Ulrich said

    Lieber Wolfgang –

    habe Deinen Blog heute (am 10. 8., spätabends) einmal
    wieder in Ruhe durchgelesen. Ich bewundere Deine Kraft
    der Zuwendung, Deinen Willen und Deinen Mut, Antje auf
    ihrem leidvollen Weg zu begleiten. Ebenso teile ich Deine
    kritischen Reaktionen auf hinderliche, teilweise absurde
    (bürokratische) Umstände bis hin zu Deiner berechtigten
    Kritik daran, Krankheit auf die menschenverachtende Frage
    des Kostenfaktors einzuengen… Ich möchte Dich ermutigen,
    durchzuhalten und auch den Blog weiterzuschreiben. Du tust
    das Richtige.

    Wir, Elke u. ich, denken täglich an Antje und Dich. Unser
    Mitgefühl ist bei Euch – vor allem die Hoffnung, daß
    Antje trotz aller bitteren Nachrichten gesund wird.

    Herzlich, Dein Helmut

  17. Dagmar Birke said

    Lieber Wolfgang,
    ich habe gerade wieder einmal Deinen gesamten Blog gelesen. Mir fehlen die Worte, es ist da nur Empfindung und Tränen in mir, ich denke an Euch. Viel Kraft wünsche ich Euch.
    sei umarmt, wenn ich irgendwie unterstützen kann, bitte sage es.
    Dagmar

  18. maili said

    Lieber Wolfgang,

    wie geht es Dir und Antje und den Kindern? Wie sehen eigentlich Deine / Eure Tage aus mit all den Alltags-Anforderungen, die ja auch noch zu bewältigen sind?
    Ich glaube, es gehört zu den schwersten Kontemplationen im spirituellen Bereich zu lernen und zu akzeptieren, den Tod im Leben willkommen zu heißen. Das hört sich neunmalklug an, ist jedoch nicht so gemeint. Ich glaube, nur so ist es überhaupt zu bewältigen. Es gibt ein gutes Gedicht von Rilke, welches mich seit Jahren begleitet:

    Der Tod ist groß
    wir sind die Seinen
    lachenden Munds.
    Wenn wir uns mitten im Leben meinen
    wagt er zu weinen
    mitten in uns.

    Und dann gibt es noch diese schöne, nachdenkliche Geschichte von Janosch, kennt ihr die?
    „Der Tod und der Gänsehirt“ ? Mal schauen, ob ich sie hier hineinkopieren kann.

    Der Tod und der Gänsehirt

    Einmal kam der Tod über den Fluss, wo die Welt beginnt. Dort lebte ein armer Hirt, der eine Herde weißer Gänse hütete..
    „Du weißt, wer ich bin, Kamerad?“ fragte der Tod.
    „Ich weiß, du bist der Tod. Ich habe dich auf der anderen Seite hinter dem Fluss oft gesehen.“
    „Du weißt, dass ich hier bin, um Dich zu holen und mitzunehmen auf die andere Seite des Flusses?“
    „Ich weiß. Aber das wird noch lange sein.“
    „Oder wird nicht lange sein. Sag, fürchtest Du Dich nicht?“
    „Nein“, sagte der Hirt. „Ich habe immer über den Fluss geschaut, seit ich hier bin, ich weiß, wie es dort ist.“
    „Gibt es nichts, was Du mitnehmen möchtest?“
    „Nichts, denn ich habe nichts.“
    „Nichts, worauf Du hier noch wartest?“
    „Nichts, denn ich warte auf nichts.“
    „Dann will ich jetzt weitergehen und dich auf dem Rückweg holen. Brauchst du noch etwas, wünschst du dir noch was?“
    „Brauche nichts, hab´ alles“, sagte der Hirt. „ Ich habe eine Hose und ein Hemd und ein Paar Winterschuhe und eine Mütze. Ich kann Flöte spielen, das macht lustig. Meine Gänse verstehen nicht viel von Musik.“
    Als dann der Tod nach langer Zeit wiederkam, gingen viele hinter ihm her, die er mitgebracht hatte, um sie über den Fluss zu führen. Da war ein Reicher dabei, ein Geizhals, der Zeit seines Lebens wertvolles und wertloses Zeug an sich gerafft hatte: Klamotten, auch Gold und Aktien und fünf Häuser mit etlichen Etagen. Der Mann jammerte und zeterte : „Noch fünf Jahre, nur noch fünf Jahre hätte ich gebraucht, und ich hätte noch fünf Häuser mehr gehabt. So ein Unglück, so ein verfluchtes Unglück!“ Das war schlimm für ihn.
    Ein Rennfahrer war unter ihnen, der zeit seines Lebens trainiert hatte, um den großen Preis zu gewinnen. Fünf Minuten hätte er noch gebraucht bis zum Sieg. Da erwischte ihn der Tod.
    Ein Berühmter war dabei, dem ein Orden gefehlt hatte, nur ein einziger Orden, für den er Jahre aufgewendet hatte, da holte ihn der Bruder Tod. Das war schlimm für ihn.
    Dann war da ein junger Mensch, der hatte an seiner Braut gehangen, denn sie waren ein Liebespaar gewesen, und keiner konnte ohne den anderen leben.
    Ein schönes Fräulein war dabei mit langen Haaren. Und viele Reiche, die jetzt nichts mehr besaßen, und noch mehr Arme, die jetzt auch nicht das besaßen, was sie gerne hätten haben wollen.
    Ein alter Mann war freiwillig mitgegangen. Aber auch er war nicht froh, denn siebzig Jahre waren vergangen, ohne das er das bekommen hatte, was er hatte haben wollen. Schlimm für sie alle.
    Als sie an den Fluss kamen, wo die Welt aufhört, saß dort der Hirt. Und als der Tod ihm die Hand auf die Schulter legte, stand er auf, ging mit über den Fluss, als wäre nichts, und die andere Seite hinter dem Fluss war ihm nicht fremd. Er hatte Zeit genug gehabt, hinüber zu schauen, er kannte sich hier aus, und die Töne waren noch da, die er immer auf der Flöte gespielt hatte; er war sehr fröhlich. Das war schön für ihn.

    Janosch

    ….Ob ich für mich selbst so klug sein kann, wird sich zeigen.
    Dir und Antje wünsche ich von Herzen, dass jeder Augenblick eures gemeinsamen Lebens licht- und liebevoll ist, vollkommen präsent und ganz willkommen.

    Ich denke an Euch. maili

  19. maili said

    Lieber Wolfgang, es beunruhigt mich, gar nichts von Dir zu lesen seit….
    Schaffst Du es gerade nicht? Hat sich Eure Situation verschärft – falls das überhaupt noch möglich ist?
    Ich sorge mich um Euch. Herzlichst maili

  20. maili said

    Lieber Wolfgang, danke dass Du Dich gemeldet hast!!!Alles Gute für Dich, für Euch, ich denke an Euch und schicke einen Riesen-Ballon voller blauer Herz-Energie nach Havelhöhe. maili

  21. liliana said

    ich denke oft an euch beide und hoffe, dass das irgendetwas macht…

    liliana

  22. maili said

    Lieber Wolfgang !

    Wo bist Du, wo seid Ihr?! Ich weiß, Du brauchst gerade Zeit und Kraft für anderes….Doch gar nichts zu hören verleitet zu spekulativen Ausflügen in neblige Düsternis. Vielleicht fehlt Dir gerade der Antrieb, der Mut…
    Wo auch immer Du gerade gedanklich und emotional bist, in diesen Raum schicke ich Dir helle Energie. Gleich gehe ich in den Zendo und nehme Dich und Deine Familie mit…
    Liebe Grüße maili

    • mtxforyou said

      Zur Zeit (ab heute)ist Antje zurück in der Charite.Hab sie gerade hingebracht. Es soll noch mal über eine weitere Bestrahlung nachgedacht werden, zumal sie „noch so jung“ 😉 ist.
      Ich organisiere gerade die Hauspflege, schlage mich mit Ämtern und Versicherungen rum und kümmere mich um unsere Tochter und natürlich auch um meine anderen Kinder….ich schreibe bald weiter….tut mir Leid, ich wollte niemanden auf die Folter spannen.
      lg
      Wolfgang

  23. maili said

    Lieber Wolfgang, entschuldige bitte mein „drängen“ wenn mein letzter und vorletzter Beitrag so angekommen ist. Es sollte auch ein Zeichen sein, dass die Gedanken bei Dir/Euch sind.

    Danke für Deine Nachricht. Da ich seit längerer Zeit verbunden bin mit krebserkrankten Menschen kann ich mir in etwa vorstellen, dass Du unglaublich viel zu tun und zu bedenken hast. Kommst Du eigentlich auch manchmal zur Ruhe? Das Du diese findest und Kraft hast für all Deine Aufgaben wünsche ich Dir von Herzen.
    Liebe Grüße maili

  24. Alf said

    In Gedanken bin ich jeden Tag bei euch.

  25. maili said

    Lieber Wolfgang, was für wunderschöne Bilder von Antje stehen jetzt hier – und darüber das tieftraurige Bild der Bikkhuni! Mir scheint, ich muss jede „normale, allgemeine“ Vorstellung von Glück und Sinn in diesem Leben aufgeben um auch nur ansatzweise einen Sinn zu finden in all dem Leid, welches Menschen heimsucht. Wie gut, dass Antje Dich hat. Und wen hast Du?
    Ich denke an Euch! maili
    P.S. Könntest Du meine mail-Adresse aus dem Blog löschen? Danke

  26. maili said

    Lieber Wolfgang – wie geht es euch!!! allen zusammen?

    Nach wie vor denke ich an Antje und Dich…an Deinen Alltag, der ja auch irgendwie bewältigt werden muss, an die Kinder….

    Herzliche Grüsse. eva

    • mtxforyou said

      Hi Eva,
      zur Zeit steh ich voll in der Pflege. Ich werde demnächst die Seite mit neuen Texten und Bildern versorgen, doch im Moment bin ich so eingespannt, daß keine richtige Zeit dafür bleibt.

      Alles Liebe
      Wolfgang

  27. […] The busiest day of the year was July 30th with 78 views. The most popular post that day was Hochmalignes Non-Hodgkin Lymphom des Gehirns. […]

  28. Prinz Rupi said

    Dein Blog ist mutig. Ich habe selbst zwei Chemos hinter mir und ahne, wie es dir geht. Schreiben kann befreiend wirken, und ich wünsche, es gibt dir Kraft.

  29. Ullrich Kuttig said

    Es war schön, mal wieder mit dir zu sprechen! Ich habe in deinem Blog gelesen – du musst dich wirklich nicht entschuldigen! Ich bin eigentlich kein Freund von Blogs, aber bei deinem konnte ich nicht aufhören zu lesen. Ich kenne keinen Menschen, der so viel Liebe in den Knochen hat wie du. Ich wünsche dir viel Kraft! Ruf mich an oder schreib mir, wenn du etwas von mir brauchst. Ich werde mich auch regelmäßiger bei dir melden.

    Gestern kam mir ein Gedanke. Nimm es mir nicht übel, wenn es Unsinn ist. Du meintest, es gäbe in den USA eine Therapie, die vielleicht ganz gut wäre, die aber in Deutschland nicht gemacht werden darf. Könntest du nicht mit Antje, wenn es ihr Zustand zulässt, in die USA fahren, um dort die Therapie machen zu lassen? Man könnte dafür das Geld vom Sparbuch nehmen. Jonathan hätte bestimmt Verständnis dafür. Wahrscheinlich reicht es nicht. Ich könnte auch noch mehr dazugeben. Wie gesagt, ich weiß ja gar nicht, ob das überhaupt möglich ist. Ich musste immer wieder dran denken.

    Gruß, dein Ulli

  30. Helen said

    Hi,
    mein Name ist Helen und ich habe deinen Blog beim Stöbern entdeckt, weil meine Zwillingsschwester (27 Jahre) auch in allen Gehirnteilen hochmalige Non-Hodkin-Lymphome hat. Nun ist sie die neunte Woche im Krankenhaus, ca. 5 Wochen hat die Diagnose gedauert (wie bei euch – viele Fehldiagnosen). Morgen soll der 3. Zyklus aus der 1. Chemo stattfinden. Hatte sich durch erhöhte Entzündungswerte (keiner – die Ärzte wissen nicht woher) nach hinten verschoben. Das Wochenende hatte sie wieder einen Epileptischen-Anfall (ihr dritter). Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so leidet, der sich selbst über Wochen nicht mehr mitteilen kann und trotzdem die Kraft zum weiterkämpfen aufbringen muss.
    Sich mitzuteilen ist so wichtig für uns Menschen. Es lässt uns am Leben teilhaben.
    Für meine Schwester und mich war das tägliche telefonieren unser gegenseitiges Tagebuch – um Freude, Schmerz, Wut und Liebe fest zu halten. (Wir wohnen ca. 600 km voneinander entfernt.) Seit min. sechs Wochen ist unsere innige Kommunikation entzweit, da ihr Sprechen so stark beeinträchtigt ist. Ich versuche so oft wie möglich bei ihr zu sein – muss dafür meine eigene kleine Familie zurücklassen und vergesse dabei mich selbst am meisten.
    Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, es zu schaffen, für Linda (mein Zwilling), für meinen Mann und unsern Sohn (3 Jahre) da zu sein und dabei auch auf mich zu achten.

    Wahrscheinlich schreiben ich dir deswegen. Vielleicht kannst du mir Hoffnung und Tipps schenken, wie ihr diese erdrückende Situation gerade meistert.
    Deinen Blog finde ich sehr berührend. Ich kann das alles so nachempfinden, dass mir die Tränen über die Wange rollen und auf meinem Schoß zerplatzen….

    Ich wünsche dir und deiner lieben Familie alles alles Gute.
    Die Helen

    Liebe Helen,
    geben Sie nicht auf. Es gibt ein Leben danach. Vielleicht muß noch bestrahlt werden. Es ist oft so bei dieser Krankheit. Und machen Sie sich bitte klar, Sie wird nie wieder die „alte Schwester“ sein. Diese Krankheit und ihre Behandlung raubt oft ganzlich alles, aber auch vieles kehrt zurück, wie bei Antje.
    Kämpfen Sie für Ihre Schwester und wenn die Ärzte Sie nicht aufgeben, ist auch noch alles drin. Wir hatten die Charite im Rücken und die Leute von der Intensivstation 6. Das sind die besten der Welt gewesen und selbst die hatten schwere Momente der Entscheidung zu treffen. Vertrauen Sie den Ärzten!
    In tiefer Verbundenheit
    Wolfgang Friedrich

  31. Eleonore Leptajnik said

    Hallo Wolfgang,

    habe heute zufällig Ihren Bloc gefunden. Bin zutiefst erschüttert, weil ich meinen Mann am 01.01.2010 an einem Gehirn Lymphom
    verloren habe. Der Leidensweg von Antje hat mich sehr an das
    vergangene Leid erinnert. Bei meinem Mann war die Krankheit
    jedoch bereits soweit fortgeschritten, daß er von der Diagnose
    bis zu seim Tod nur noch 3 Monate gelebt hat. Von diesen drei Monaten habe ich mit meinem Mann nur noch ca. 3 Wochen insgesamt sprechen können und dabei war er schon ganz ver-
    wirrt.

    Ich möchte nicht noch weiter ausholen, weil es mich auch jetzt
    noch nach 2 Jahren komplett fertig macht. Wir waren 40 Jahre
    verheiratet. Ich bin sehr dankbar für die Zeit, die wir miteinander hatten. Dankbar den Ärzten und dem Pflegepersonal, die so
    zu uns gestanden und geholfen haben. Mein Mann durfte
    friedlich diese Welt verlassen und mußte nicht mehr in ein
    Pflegeheim.

    Ich danke für Ihre Ausführungen, sie haben mir wieder ein
    Stückchen bei der Trauerbewältigung weitergeholfen. Ich
    verbleibe in tiefer Verbundenheit

    Lore Leptajnik

  32. Andreas Lillig said

    Lieber Wolfgang,
    bin ich viel zu spät? Habe durch eigene Erkrankung und der Suche, sie gemäß der Lehre besser annehmen zu können, deinen Blog entdeckt.
    Ich finde, das was du schreibst ist geprägt und impulsiert von einer großartigen Liebe. Wie viele hier hat es auch mich sehr stark berührt und besonders beeindruckte mich, die Kraft und Stärke, mit der du die Seite gestaltet hast.
    Jetzt hoffe ich, dass du meinen Kommentar noch lesen kannst und den Spruch von Meister Eckhart ebenso tröstend findest wie ich.

    „Wenn ich in Gott zurückkomme, so hat mich dort niemand vermisst. Ich war nicht fort. Nie bin ich aus Gott heraus gefallen.“

    Herzlich
    Andreas

    • mtxforyou said

      Lieber Andreas,
      Du bist nicht zu spät:
      Antje lebt und ich werde dafür weiterkämpfen. Aber ich weiß auch, daß irgedwann der Kampf ein Ende finden wird. Auf diesen Tag bereite ich mich vor, sei es ihr und mein Ende. Aber ich sage Dir auch, es lohnt sich zu kämpfen! Nicht gegen die Krankheit, nicht gegen das Schicksal, aber gegen die Ignoranz und Unmenschlichkeit von Kranken- und Rentenkassen, gegen die eingepennten Sesselpfurzer in Amtsstuben und Apparatebüros. Gegen den Starr- und Sturrsinn von Institutionen, Bürokraten und unflexibeler Rechtsgebung der Bundesregierungen! Und wieso? Weil die, die nach uns kommen, es unbedingt leichter haben sollen, mit einer Behinderung weiter leben zu dürfen und zu müssen.
      Danke für Dein Mitgefühl
      Wolfgang

      • Andreas Lillig said

        Lieber Wolfgang,
        das freut mich wahnsinnig!!!! Bitte grüße deine liebe Antje von mir und teile ihr meine Freude mit.
        Dein Kampfeswille sei ungebrochen und Buddha sprach ja von der „Wehrhaftigkeit“, wenn wir auf der relativen Ebene in unserem Bemühen um heilsames Handeln behindert werden.
        Und euer Handeln ist ja wohl mehr als heilsam und der Erfolg sehr deutlich. Also wehrt euch weiterhin und genießt das Leben.
        Herzliche Grüße
        Andreas

    • mtxforyou said

      Lieber Andreas,
      ich wünsche mir für Dich und Deine Erkrankung einen ruhigen, gelassenen Weg.
      Eines Tages kam eine weinende Frau auf Gautama zugestürzt: Er möge doch ihre gerade verstorbene Tochter wieder zum Leben erwecken. Gautama sagte ihr, er könne das für sie tun, aber nur unter einer Bedingung. Sie möge ihm aus irgendeinem Haus (Stammsitz einer Familie) eine Linse (Dall) bringen, in dem noch nie jemand gestorben sei. Die Frau vetsummte und ging verstört aber auch beruhigt von dannen.
      In diesem Sinne möge auch Dir eine interessante Zeit beschieden sein. (chinesischer Zen Gruß)

      Wolfgang

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